: Deutsche Bank bündelt das Geld der Ostdeutschen
Übernahme der DDR-Kreditbank puscht Geschäftsvolumen auf 404 Milliarden Mark/ Auf der Hauptversammlung kontrolliert sich der Vorstand selbst ■ Aus Hamburg H. Pfeiffer
Neue Höhen hat die Deutsche Bank im vergangenen Jahr erklommen. Ihr Geschäftsvolumen stieg, so Vorstandsssprecher Hilmar Kopper, „in bisher nicht verzeichnetem Ausmaß“. Trotzdem trafen sich nicht einmal 4.000 Aktive aus der Schar von 310.000 Anteilseignern auf der gestrigen Hauptversammlung der Bank im Hamburger Congress Centrum. Auf 404,7 Milliarden Mark kletterte das Geschäftsvolumen des Konzerns Deutsche Bank. Vergleichen wir diese süßen Birnen mit den sauren Äpfeln des 1990er Bundesetats von 311 Milliarden, werden die Dimensionen deutlich, in denen sich der 14köpfige Vorstand der Bank bewegt. Der Anstieg des Geschäftsvolumens um 16 Prozent, wobei die Zahl der Beschäftigten in der Alt- BRD um 1,1 Prozent sank, basiert auch auf dem Sonderfaktor Wiedervereinigung.
Inlandsmarkt DDR
Die DDR wurde bankintern bereits als Inlandsmarkt betrachtet, als man dort noch von einem irgendwie anderen Sozalismus träumte. Bereits im Juli 1990 konnte das Kreditinstitut auf 140 Filialen in der DDR verweisen, dank eines Joint-ventures mit der Kreditbank AG, Nachfolgerin der Staatsbank und mittlerweile mit der Deutschen Bank AG verschmolzen. Offiziell rund sieben Milliarden DM Forderungen an ehemalige DDR-Firmen meldet die Deutsche Bank. Neben der Vorfreude auf die Rückzahlung dieser geschenkten Kredite beschäftigten sich die Großbanken mit dem Geldsammeln. Die Deutsche Bank (DB) sammelte 13,4 Milliarden DM Einlagen bis Ende 1990 bei den Brüdern und Schwestern ein und betreut heute 900.000 Konten in der Ex-DDR.
Fünf Milliarden Gewinn
5,1 Milliarden Mark beträgt die Summe aus den Zins- und Provisionszahlungen der Kundschaft sowie den Gewinnen aus Eigengeschäften und den hierfür notwendigen Aufwendungen. Kein kleiner Überschuß für 365 Tage — trotz vielfältiger Möglichkeiten legaler Bilanzmanipulation wie weiterer Wertberichtigungen auf Dritte-Welt-Kredite.
Der erneute Rekord ruht auf drei Säulen, den einmalig engen Industriebeziehungen des Imperiums, vermittelt über die Depotstimmen der DB-Kundschaft und dem personellen Netzwerk der Bank, dem starken Massengeschäft im Inland und der herausragenden Rollendarstellung als „global player“, als weltweiter Spieler, so der Banker-Jargon. Dazu trugen weitgehende Abschreibungen auf Kredite in 59 Länder bei.
Zudem: 20 Prozent des gesamten deutschen Außenhandels liefen über die Konten der Deutschen Bank. Im strategischen Schwerpunkt Westeuropa wurden 1990 in Spanien, Portugal, Österreich, Schweiz, England und Frankreich Beteiligungen an Töchtern erhöht, neue Gesellschaften gegründet oder weitere Filialen eröffnet. Osteuropa, ein weiterer Schwerpunkt, erfreut sich taufrischer Repräsentanzen in Budapest, Prag und Warschau. Seit 14 Monaten verhandeln 308 Gläubigerbanken unter Führung des Frankfurter Instituts über die Abwicklung der bulgarischen Schulden. Der eigentliche Zukunftsmarkt schlummert allerdings weiter nordöstlich.
„Sonderzone K“
1969 reiste DB-Vorstand Friedrich Wilhelm Christians erstmals seit der Schlacht am Kursker Bogen in die UdSSR. Finanziell blieben die Geschäfte mit der UdSSR zunächst Null-Summen-Spiele. Heute öffnen sich der Frankfurter Großbank dafür die Tore: „Sonderzone K“ heißt der Plan des Aufsichtsratsvorsitzenden Christians. „K“ steht für Kaliningrad oder Königsberg. In der Freihandelszone „K“ sollen verschiedene Joint-ventures eine gemeinsame Plattform finden. Hier hofft Christians einen Teil der ausreisewilligen „Deutschstämmigen“ binden zu können.
Im November stimmte das Parlament der Russischen Unionsrepublik dem Plan grundsätzlich zu. Sechs bis sieben solcher „Brückenköpfe des Kapitalismus“ sollen „in den Küstenregionen des Riesenreichs geschaffen werden“, äußerte Georg Krupp — Sprachgewaltiger im Vorstand der Deutschen Bank. Das „Gleichgewicht des Schreckens“ will Aufsichtsratschef Christians ablösen durch ein „Gleichgewicht der wirtschaftlichen Chancen“ — wohl wissend, daß ein Gleichgewicht der Chancen immer den bereits Starken noch stärker werden läßt.
Wer hat die Macht?
Warum die Kritischen Aktionäre gestern mit ihrem alternativen Geschäftsbericht „Macht ohne Kontrolle“ (Schmetterling Verlag, Stuttgart) in das Congress Centrum der Elbmetropole kamen, wissen wir: Beständige Nadelstiche gegen das Geschäftsgebaren sollen langfristig ein Umdenken bewirken (s. taz von gestern); warum die anderen Kleinaktionäre hereinschauten, nicht. Wer möchte, darf zwar eine Rede halten, zu sagen hat er oder sie aber nichts.
Der erste Redner der kritischen AktionärInnen bewirkte denn auch ein Stöhnen im Pressezentrum: „Das wird wieder spät.“ Für eine Abkürzung versuchte Aufsichtsratschef Christiansen zu sorgen, indem er der Vertreterin der Anti-Apartheid-Bewegung wiederholt das Mikrophon abdrehte: „Sie sorgen für Unruhe im Saal.“ Weniger aufregend fanden die übrigen AktionärInnen das Engagement der Bank in Südafrika und bei der Finanzierung deutscher Rüstungsexporte.
Die Ohnmacht der AktionärInnen der Deutschen Bank bildet die Kehrseite der Selbstkontrolle der Großbanken. Mittels der Depotstimmen der privaten Kundschaft — die fast vollständig eine 15monatige Pauschalvollmacht ausstellen — und industrieller Freunde vertritt der DB- Vorstand traditionell knapp 50 Prozent der Stimmen auf den eigenen Aktionärsversammlungen selbst. 99 Prozent der Deutschen-Bank-Aktionäre blieben dem diesjährigen Treffen fern. Genau genommen sollten sie ganz auf ihre Aktien verzichten. Mit der 14prozentigen Dividende plus Körperschaftssteuer-Gutschrift erreichten die Kleinkapitalisten gerade eine Verzinsung von knapp drei Prozent auf das eingesetzte Kapital von 753 DM — so viel kosteten die DB-Aktien durchschnittlich im zurückliegenden Jahr. Am Mittwoch war ihr Wert auf 674 DM gesunken. Die Motive der Aktienkäufer mögen im Mythos der Großbank begründet liegen. Nur die Spekulation auf wieder steigende Aktienkurse mag dem Wechsel zum Postsparbuch noch im Wege stehen.
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