: Schiiten im Südirak fordern weiter Sturz Saddams
■ Kämpfe im Süden gehen weiter/ Armee setzt Helikopter und Panzer ein/ Aufständische verstecken sich in den Sümpfen/ Basra ist eine „Geisterstadt“/ Von zwanzig Krankenhäusern sind fünfzehn zerstört
Berlin (taz) — Ein Fernsehteam, das letzte Woche auf dem Rückweg aus dem südirakischen Basra nach Bagdad war, befand sich auf der sechsspurigen Autobahn plötzlich mitten in einem Feuergefecht zwischen schiitischen Rebellen und irakischen Regierungstruppen. Das berichtete gestern die 'Washington Post‘. Einige Tage zuvor war ein Konvoi von Mitarbeitern internationaler Hilfsorganisationen und Journalisten, der über dieselbe Autobahn nach Bagdad zurückfuhr, von irakischen Republikanischen Garden gestoppt und zurück nach Basra geschickt worden. Schiitische Rebellen hatten offenbar einen Angriff gegen irakisches Militär gestartet. Der Aufstand im Süden Iraks ist nicht zu Ende. Viele Rebellen haben sich in die Sümpfe zwischen Euphrat, Tigris und der iranischen Grenze zurückgezogen.
Abdel Karim Habib, ein Sprecher der schiitischen Oppsitionsgruppe „Hoher Rat der islamischen Revolution“, erklärte gegenüber der taz: „Der Krieg im Südirak geht weiter. Wir haben Hinweise, daß die irakische Führung eine Großoffensive gegen die Rebellen in den südirakischen Sümpfen plant, daß sie dort Luftwaffe und auch chemische Waffen einsetzen will, so wie gegen die Kurden.“ Während kurdische Oppositionelle in Bagdad verhandeln, fordert Habib den Sturz Saddams. Die irakische Führung und die „Kurdische Front“ waren Anfang der Woche in Bagdad zu einem „broad agreement“ gekommen, daß die Schiiten offensichtlich ausklammert. Kurden und die irakische Führung eint die Angst vor großen Stimmengewinnen der fundamentalistischen Schiitengruppen bei freien Wahlen, denn rund 55 Prozent der irakischen Bevölkerung sind Schiiten.
Die iranische Nachrichtenagentur 'Irna‘ meldete Anfang der Woche schwere Angriffe irakischer Truppen auf die schiitischen südirakischen Städte Al-Ammara, Ali Gharbi, Ali Sharqi und Nasseriya. Irakische Flüchtlinge hätten im Iran berichtet, die irakische Armee setze im Südirak weiterhin Panzer, Helikopter und auch Kampfflugzeuge ein. 'Irna‘ zitiert einen geflohenen Lehrer mit den Worten: „Die Republikanischen Garden ,bulldozen‘ ganze Gegenden im Südirak, weil dort die Bewohner genug haben vom Baath-Regime in Bagdad.“
Nach Informationen eines Reporters der britischen Zeitung 'The Guardian‘, begann der schiitische Aufstand drei Tage nach Beendigung des Krieges um Kuwait. Schiiten, die vor der Bombardierung der Alliierten in den Iran geflohen waren, kamen von dort bewaffnet zurück und übernahmen zusammen mit in Basra Zurückgebliebenen die Kontrolle über die Stadt. Sie hatten acht Tage die uneingeschränkte Gewalt über die Stadt. Als die Armee die Kontrolle über Basra zurückgewann, wurde der „wahrer Schlächter von Bagdad“ genannte Ali Hassan Al- Majeed in den Süden geschickt. Der Cousin Saddam Husseins und neuernannte Innenminister war schon für den Giftgaseinsatz gegen die Kurden in Halabja verantwortlich und überwachte persönlich die Niederschlagung der Schiitenrevolte.
Nach Aussagen von vom 'Guardian‘ zitierten Augenzeugen wurden nach der Einnahme Basras durch die Armee angebliche Anführer auf den Sa'ad-Platz geführt, dort zusammengebunden, mit Benzin übergossen und verbrannt. Die Republikanischen Garden hätten Stadtviertel umstellt und dann Artilleriesalven in die Häuser gefeuert. Das Kanalisationssystem wurde systematisch zerstört. Die Verwüstungen durch die irakischen Truppen zusammen mit den schweren Bombardements durch die Alliierten, die nach Angaben des 'Guardian‘ neben dem Hafen und Fabriken auch die wichtigsten Elektrizitätswerke und einige Krankenhäuser und Schulen trafen, führten dazu, daß Basra zu den am meisten zerstörten Städten des Iraks gehört. Eine Delegation der deutschen „Initiative Frieden am Golf“ berichtete nach ihrer Rückkehr aus dem Südirak, sie hätten Basra als „Geisterstadt“ erlebt, „kaum ein Haus, das nicht von Bomben oder Geschützen getroffen sei. Von 20 Krankenhäusern der Stadt sind 15 zerstört.“ Ähnlich sehe es in der Provinz Basra aus.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen