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Neonazis eröffnen Schlacht um Kreta

■ Deutsche Kriegsveteranen zerstören Grabsteine der Gedenkstätte griechischer Widerstandskämpfer bei Heraklion/ Konservative Regierung Mitsotakis spielt Zusammenstöße bisher herunter

Athen/Berlin (taz) — Zerstörte, beschmierte Grabsteine, wehende Hakenkreuzfahnen und Hitlergruß, Schlägereien zwischen Deutschen, Briten und Griechen — das ist die traurige Bilanz der ersten Veranstaltungen, die in dieser Woche zum 50.Jahrestag der sogenannten „Schlacht von Kreta“ auf der Mittelmeerinsel stattfanden. Und dabei ist diese Bilanz eine vorläufige: denn erst an diesem Wochenende endet mit einem gemeinsamen Besuch von Bundeskanzler Kohl und dem griechischen Ministerpräsidenten Mitsotakis bei der Gedenkstätte Galatas die Erinnerung an rund zehntausend Opfer der größten Luftlandeaktion der Kriegsgeschichte.

Die Organisation des Treffens griechischer, englischer und deutscher Kriegsteilnehmer war das Ziel der Nachkommen kretischer Widerstandskämpfer. Sie wollten daran erinnern, daß es der griechischen Bevölkerung elf Tage lang gelungen war, die vollständige Besetzung ihrer Insel zu verhindern. Erinnert werden sollte an die 62 Geiseln, die von der Wehrmacht aus Rache für die Sprengung eines Flugplatzes erschossen worden waren. Nicht damit gerechnet haben die Veranstalter freilich damit, daß Alt- und Neonazis die Veranstaltung für ihre Zwecke nutzen könnten. Aris Petrakis, Sohn eines Widerstandskämpfers: „Durch die Verteidigung Kretas wurde zum ersten Mal der Ruf der militärischen Unbesiegbarkeit des NS-Mythos erschüttert. 50 Jahre später wollen uns die Nazis nun zeigen, wie stark sie inzwischen wieder sind. Die Aktion auf den Friedhöfen war keine planlose, sie ist gezielt organisiert worden. Wahrscheinlich werden ihr bald ähnliche Folgen. Schließlich wurden die Neonazis zum erstenmal in Griechenland aktiv.“ Betroffen zeigte sich Petrakis auch darüber, daß nach Meldungen griechischer Zeitungen „der Vertreter des deutschen Bundestages V. Spengel die Bedeutung des Fallschirmspringereinsatzes als „neue Kriegstechnik“ würdigte. An der Veranstaltung auf dem deutschen Soldatenfriedhof bei Chania nahm auch der Bundestagsabgeordnete von Stetten teil, dessen Vater bei der Invasion der Insel ums Leben gekommen war.

Die Regierung hat unterdessen die Zeitungsberichte über das Auftreten der deutschen Kriegsveteranen als unglaubwürdige Falschmeldungen zweifelhafter Herkunft bezeichnet. Sie würden das Land verleumden, einen nationalen Gedenktag in den Schmutz ziehen. Nach Informationen des KP-Organs 'Rizospatis‘ übt die Regierung „sanften Druck“ auf die Journalisten aus: Die Zusammenstöße sollen vertuscht werden. Ganz im Gegensatz hierzu ist die Stimmung auf der Insel gespannt. Alle Tageszeitungen berichteten von den Grabschändungen, die „Panhellenische Organisation der Widerstandskämpfer“ fordert die Ausweisung der NS-Gäste. Verhaftet wurden zwei Deutsche, die an den Zerstörungen der Gräber beteiligt gewesen sein sollen. Die Veranstalter möchten die Feierlichkeiten jedoch auf alle Fälle wie geplant zu Ende führen. In großer Eile werden die Erinnerungsstätten in ihren ursprünglichen Zustand gesetzt. Kohl und Mitsotakis sollen bei ihrem Treffen nicht von beschmierten Grabsteinen gestört werden. Herre/Stadler

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