: Die neuen Leiden des Ulrich N.
■ Tags Pressekonferenzen als Sparkassenchef, nachts CDU-Reden ausdenken
Heute ist ein aufregender Tag im Leben des Ulrich Nölle. Auf dem CDU- Parteitag muß der Partei-Novize versuchen, die Basis in Wallung zu versetzen. Auf dem Programm steht die erste politisch-programmatische Rede des Bankers. Und da soll er beweisen, daß er erstens völlig fälschlicherweise als verkappter FDP'ler gilt, zweitens inzwischen begriffen hat, daß Politik mehr ist als die Fortsetzung des Börsengeschäftes mit anderen Mitteln, und drittens die Befürchtung widerlegen, daß er auf der Rhetorik-Rangliste knapp hinter Wedige von der Schulenburg, Günter Niederbremer und Reinhard Metz rangiert.
Die Voraussetzungen dafür sind nicht schlecht: Nölle hat nicht nur fleißige Helfer im CDU-Haus, sondern auch den guten, selbstlosen Neumann. Der will seinen zurückhaltenden Freund zwar keinesfalls zu einem „Hau-drauf-Kudella verbiegen“, aber doch verhindern, daß die Entfernung von Fettnapf zu Fettnapf künftig nach der Maßeinheit Nölle benannt wird. Deshalb hat Neumann dem Banker einen Stichwortzettel für seine Rede vorbereiten lassen, der Nölle am Donnerstag vormittag in der Kasse erreichte. Und dann machte sich der Mann nächtens an die Fleißarbeit. Gestern mußte der Text bereits fertig sein, damit Nölle das Kunstwerk noch einmal mit Neumann durcharbeiten konnte.
Dabei hat Nölle-Mann wahrlich auch als Sparkassenchef ausreichend zu tun. So jagte in der letzten Woche eine Pressekonferenz die andere. Da stellte die Maklerabteilung der LBS zum ersten Mal in dem zehnjährigen Bestehen ihre Arbeit vor. Teilnehmer Sparkassenvorstand Nölle. Auch die Tönjes-Vagt-Stiftung fand nach fünf Jahre des stillen Wirkens endlich Gelegenheit, ihre verdienstvolle Tätigkeit vorzustellen. Teilnehmer: Stiftungs-Vorstand Nölle.
Und in der kommenden Woche wird Nölle die Presse bei der Mitgliederversammlung der Sparkasse auf sich aufmerksam machen. Zwei Tage später stehen einleitende Worte zu einem Vortrag zum Thema „Deutsche Börse mit Ostphantasie“ auf dem Programm.
In der oberen Etage der Sparkasse verweist man darauf, daß diese Termine selbstverständlich schon vor Nölles Spitzenkandidatur festgelegt wurden und daß Banker Nölle selbstverständlich seine öffentlichen Auftritte „in den harten Monaten auf Null reduzieren“ wird. Ansonsten aber ist das Mitgefühl mit dem doppelt Belasteten gering: „Das sind schließlich selbstgemachte Leiden.“ Rosi Roland
P.S.: Bürgermeister Wedemeier scheint inzwischen Rücksicht auf den Gestreßten zu nehmen. In des Bürgermeisters Kalender findet sich partout kein freier Sonnabend, der es erlaubte, mit Nölle up'n swutsch zu gehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen