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Alte Hüte leben länger

■ Problem Motorradhelm-Recycling: ungelöst / Zwischenlösung Zwischenlager

Es gibt Leute, die der allgemeinen Helmpflicht bei MotorradfahrerInnen darum die Berechtigung absprechen, weil es bei dieser Spezies unterm Helm eh nichts zu schützen gebe. Der Gesetzgeber indes sieht das anders: Selbst MofafahrerInnen müssen bei der Fahrt zum Edeka um die Ecke einen Helm tragen. Folge 1: zig- Millionen dieser bunten Kunststoffschalen liegen und fahren in Deutschland herum. Folge 2: Wir haben ein Recycling-Problem.

Denn einerseits unterliegen die spritzgegossenen Lebensretter einem UV-bedingten Alterungsprozess. Bestehen sie aus Polycarbonat (die billigeren), muß man nach fünf Jahren mit Materialermüdung rechnen — der Berstschutz ist nicht mehr gewährleistet. Die Teuren aus GFK (glasfaserverstärktem Kunststoff) sind nach zehn Jahren Müll. Und ein kleiner Unfall zwischendurch kann schon zu Haarrissen führen: Weg mit der Zwiebel!

Im Müll haben die Althelme allerdings nichts zu suchen. Ca. 200.000 Stück fallen jährlich an, in der Müllverbrennungsanlage würde u.a. daraus Dioxin gemacht. Doch Recyclingkonzepte gibt es erst in rudimentären Vorformen:

1) Die Aktion „Alte Zwiebeln für unsere Brüder und Schwestern in der DDR“, die z.T. noch mit Ledermützen herumfahren mußten, ist hinfällig geworden.

2) Das Verschiffen nach Afrika ist ökologisch auch nicht astrein wg. Problemverschiebung.

3) Die Umnutzung in Haushaltsschüsseln, Pipitöpfchen oder Blumenschalen wirkt hilflos angesichts der Helmmassen.

Die Kunststoffindustrie bastelt noch an Konzepten. Hauptproblem ist das Materialgemisch aus Thermoplasten, Styropor, Textil und Metall. Für die teuren Kunstharzschalen existiert überhaupt noch kein chemisches Recyclingkonzept; lediglich PC-Helme können zu Granulat umgewandelt werden, woraus sich neue Plastikgegenstände machen lassen.

Und doch bieten die großen Helmverkäufer mit teilweise erheblichem Werbeaufwand (Bei Abgabe des alten Helms 3% Preisnachlaß auf den neuen) „Recycling“ an. Das nützt ihrem Ökoimage, ist aber vorerst Beschiß: Bei Go To Helmstudio werden abgegebene Althelme lediglich, mit Hoffnung auf bessere Zeiten, zwischengelagert. Hersteller Schubert gibt die gesammelte Altlast an einen Recycler weiter, der verbrennt. Levior schneidet sie klein und dann ab in den Müll, so nehmen sie zumindest weniger Platz weg.

In Bremen kann man die alten Hüte günstig loswerden bei Go To im Herdentor, die im Düsseldorfer Sammellager stapeln lassen. Ihr 3%-Angebot nehmen pro Saison etwa 100 KundInnen wahr. Ebenfalls 3% bietet MotShop in der Falkenstraße, die den „Müll“ nach Fürth zu Uvex schicken. Die Nagelprobe, ob Uvex das Zeug annimmt, steht noch aus: Bislang hat noch niemand seinen Alten abgegeben. BMW in Habenhausen verkündet stolz „Wir entsorgen“, Preisnachlässe gibt's nicht. Bei Nachfrage verweist man dort auf einen Container im Hof. Zubehörhändler Hein Gericke nimmt die alte Zwiebeln und schickt sie in die Konzernzentrale Düsseldorf (Lager), Polo vis-a-vis lehnt die Annahme ab. Die anderen lokalen Motorraddealer nehmen die Helme nicht an oder schmeißen sie auf den Müll. Lediglich bei Peschl in Walle kommt hin und wieder der Besitzer einer Go- Cart-Bahn vorbei und packt ein.

So richtig brisant wird die Althelm-Recyclingfrage Ende '92: Dann läuft die Frist ab, die der Staat den Bikern gesetzt hat, innerhalb derer sie auf einen Euro- genormten Helm (ECE-Norm) „umsteigen“ müssen. Ab dann zahlen die Harley-Davidson-Fahrer mit amerikanischem Polizeihelm Bußgeld. Oder sie schmeißen ihn weg. Burkhard Straßmann

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