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Mercedes: Is 'n Name?

■ ...oder so bloß? Thomas Braschs Stück im Schlachthof / Für die reifere Jugend

Michaela Mazac (Oi) und Christian Wittmann (Sakko) und (O Lord!) ihr bißchen BenzFoto: Th. Räse

„Ich bin aus ihnen gemacht, gegen die ich verstoße — die Regeln.“ Das ist die Vorgabe für einen Menschen-Versuch. „Wünsch dir was — weißte nix?“ Das skizziert das Experiment. Der Wunsch: ein Mercedes.

Donnerstag abend im Schlachthof: Premiere von Thomas Braschs „Mercedes“. Brasch- Fans sind älter als 30; Fans der SchauspielerInnen Michaela Mazac und Christian Wittmann dürfen auch jünger sein. Die beiden, die sich offenbar von Fricsays Spielschar erholt haben und seit der Vertragsauflösung freie Produktionen machen, haben sich für „Mercedes“ den Hans Otto Zimmermann aus Berlin geholt, der hier seine dritte Regiearbeit lei

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Ein Junge, ein Mädchen. Irgendwo zwischen Pubertät und volljährig. Irgendwo am Rand einer Großstadt, wo Schrott rumliegt. Zu einer Zeit, als die Erkenntnis noch recht frisch war: „Automaten schaffen Zeit und —losigkeit.“ Und insbesondere: Arbeitslosigkeit. Der Junge Sakko hat keine Arbeit und ein Defizit und steht an der Straße und zählt Mercedesse. Das Mädchen Oi hat frei und klaut. Der Wunschversuch: Wir hätten einen Mercedes und was dann?

Brasch hat Heisenberg studiert, insbesondere seine berüchtigte „Unschärferelation“: Der Beobachter beeinflußt seinen Versuch. Das Mercedesspiel mit

Schrottrequisiten: Vierkanal- Stereo; Liebe auf Echtleder; ich bin auf dem Straßenstrich, und du gibst 80 Mark; ein Konzernboß hätte sich ermordet; wäre entführt worden. Ein Blick der Protagonisten von außen läßt die Blase platzen. Aus der Traum. Und wechselseitig locken Oi und Sakko sich zurück ins fragile Spiel.

Es geht um Liebe in den Zeiten allgemeiner Arbeitslosigkeit, die damals (Mercedes entstand '83) die kommenden waren. Acht Jahre können so weit weg sein. Damals bescheinigten die Feuilletons Brasch, illegitimer Sohn von Brecht und Blues, einen „neuen unerhörten Ton in der Theaterliteratur“: Gedicht statt Dialog; junger Straßenton, berlinernd (Wie heißte? — Oi! — Is 'n Name oder so bloß? — So bloß!); Cocktail aus Fabrikgezapftem, Ökonomie, Naturwissenschaft. Ohne solche Schock sind Braschs dramatische Texte von überraschender Belanglosigkeit, zwei Stunden brav gebracht, schläfern sie ein. Gegen Brasch aninszenieren wäre die Chance. Ihn bürsten, daß es kracht.

Hat selbst doch auch viel gebürstet. '45 in England geboren, schleppten ihn seine Eltern, Juden, Kommunisten, '48 nach Ostberlin. Papa machte Parteikarriere. Sohn besuchte die Elite-Kadettenschule der NVA. Entwässerungsarbeiter. Journalistikstudent. Wg. „existenzialistischer Ansichten und Verleumdung führender Staatsbürger der DDR“ relegiert. Schlosser. Kellner. Theatermacher. „Linksradikal“. Dramaturgiestudent in Babelsberg. '68 verhaftet: „staatfeindliche Hetze.“ Ab '72 Schriftsteller, '76 ausgereist. Lessingpreis. Kleistpreis. U.s.f.

Man muß Regisseur Zimmermann bescheinigen, daß er im Rahmen dessen, was er sich getraut hat, gut inszeniert hat. Trocken, ohne Klimbim, wohldosierte Schocks und Saxophoneinlagen, und hervorragende SchauspielerInnen hatte er ja. Wobei Michaela Mazac mit ihren pantomimischen Pfunden noch zu wenig wuchern durfte, wo es ja um die Existenz geht; Christian Wittmann frappierte dagegen durch seine Fähigkeit, abwechsend tief-depressiv-magenkrank und frischverknallt-rosig zu wirken. Die Bühne zu füllen, fiel beiden nicht schwer: sie sind leichtfüßig.

Thomas Brasch auf die Frage „Warum spielen?“: Um die Lebendigen nicht in Ruhe zu lassen. Brasch lebt. Burkhard Straßmann

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