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Fischtreppe mündet im dunklen Rohr

■ BUND, Sportangler und Fische sauer über die Alibilösung am Weserwehr-Neubau hier bitte das Foto mit dem Bach

Achtung Fische! Zugang zur Treppe nur noch durch das Rohr! Foto: Jörg Oberheide

Während Meerforelle, Stint, Finte und Flußneunauge früher über eine Fischtreppe springend den Niveauunterschied zwischen Unter- und Mittelweser überwanden, wird ihr natürlicher Trieb stromauf jetzt jäh durch ein dunkles Rohr gestoppt. Wegen des Weserwehrneubaus wurde die Fischtreppe, die östlich um das alte Wehr herumführte, im Dezember 1990 „abgespundet“ und mit einem 250 Meter langen Rohr an den Regenwasserkanal Hastedt angeschlossen. Der mündet kurz unterhalb des neuen Wehrs in die Weser. „Durch so ein langes, dunkles Rohr schwimmen die Fische nicht durch“, behauptet Thomas Lucker, Diplombiologe an der Bremer Universität und Mitarbeiter des BUND Bremen. „Fische habe ich hier noch nicht gesehen“, bestätigt Bauingeneur Rohe vor Ort am Wehr. „Die Rohrlösung ist nicht in Ordnung“, pflichtet auch Wilfried Preuß-Hardow vom Verband der Sportangler bei: „Wenn das Rohr fischgängig wäre, könnten Sie in jedem Gulli in Hastedt angeln!“

Ursprünglich war das kanalisierte Provisorium bis zur Fertigstellung des Wehres Ende November 1993 geplant. Dann sollte auch eine neue Fischtreppe westlich des Wehres fertig sein. Just da wird nun aber aller Voraussicht nach das Weserkraftwerk entstehen, das frühestens 1996 in Betrieb geht. Ob in seinen Mittelpfeiler eine Fischpassage integriert werden kann, ist technisch noch unausgegoren.

„Die Lebensräume von Mittel- und Unterweser sind durch diesen beispiellosen Eingriff über mehrere Jahre voneinander isoliert, die Folgen für den Erhalt der Weserpopulation noch nicht abschätzbar“, wettert der BUND in einer Presseerklärung. „Bundesweit betrachtet ist dies ein einzigartiger Umweltskandal.“ Ihm sei kein anderer Fall bekannt, wo die Fischwanderung durch ein Wehr blockiert werde, so Lucker. Nicht nur, daß die Edelfische nicht in ihre Laichgebiete gelangen könnten, auch die Wanderungen von Döbel, Aland, Flußbarsch, Zander und Hecht zur Ausbreitung und Nahrungssuche seien auf Jahre unterbrochen.

Zuständig für den Neubau des Wehres ist das Wasser- und Schiffahrtsamt (WSA) Bremen. Dessen Leiter Jan Dirksen räumt zwar ein, daß die Abspundung der Fischtreppe „zu einer Reduzierung des Fischaufstiegs führen“ könne. Aber durch den noch intakten Aalpaß und die Schleusen würden weiterhin Fische passieren. Eine provisorische Fischtreppe sei „eine unnötige Geldausgabe“. Außerdem sei das WSA auch gar nicht zuständig für das Wohl der Fische, sondern die Umweltbehörde. Michael Werbeck, Leiter der Naturschutzabteilung bei der Umweltbehörde, gestand bereitwillig ein: „Es ist zur Zeit ein Krampf.“ Das Rohr sei „eine Alibigeschichte“. Doch: „Wir sind im Gespräch mit den Naturschutzverbänden“, aber: „Wir haben noch kein endgültiges Konzept.“

Sportangler Preuß-Hardow fordert für die Bauzeit ein offenes Rohr mit Zwischenbecken. Auch der BUND will eine provisorische Fischtreppe und eine bessere ökologische Gesamtplanung für Wehr, Kraftwerk und Schleuse sowie Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen für den Eingriff in die Natur. Was das technisch und ökonomisch für die Großbaustelle bedeutet, ist Thomas Lucker vorerst schnuppe: „Ich seh das erstmal aus der Sicht der Fische.“ Annemarie Struß-von Poellnitz

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