: Monsieur 400 Watt und seine Flotte
■ Gespräch mit Ralf Holtmeyer, dem Bundestrainer des Deutschen Ruderverbandes (DRV)
taz: Welchen Stellenwert messen Sie den beiden Achtersiegen vor zwei Wochen in Köln bei?
Ralf Holtmeyer: Zum Saisonauftakt ist es wichtig, einen guten Einstieg im Großboot zu finden, um eine positive Grundstimmung innerhalb der Mannschaft zu erzeugen.
Es sitzen noch fünf Weltmeister aus dem Vorjahr, nämlich Roland Baar, Frank Richter, Dirk Balster, Martin Steffes-Mies und Steuermann Manfred Klein im Achter. Wer ist neu hinzu gekommen?
Mark Mauerwerk aus dem 89er Achter, Ansgar Wessling, der 88 und 89 schon im Achter und 90 im Vierer mit Steuermann saß, Thorsten Streppelhoff, WM-Sechster im Vierer ohne Steuermann, und Claus-Peter Fischer.
Wie mußten sich die Athleten für den Achter qualifizieren?
Sie mußten als physiologisches Kriterium eine Leistung von 400 Watt auf dem Ruderergometer bringen und eine Ausscheidung über die Kleinboote, d.h. Zweier ohne, über sich ergehen lassen. Es ist zwar notwendig, gute physiologische Voraussetzungen zu haben, jedoch nicht hinreichend. Letztendlich entscheidend ist das Zweier-Ergebnis.
Hat jeder Ruderer die Chance auf einen Platz im Achter?
Die Struktur ist jedes Jahr neu und jeder sollte die Chance haben, in den Achter zu kommen. Die Ausscheidungen finden bereits im Frühjahr statt, damit die Leute nicht das ganze Jahr unter Dampf stehen und um Ruhe für die Saison zu haben.
Aber es sitzen, genau wie in den letzten Jahren, im Achter immer die stärksten Ruderer?
Nein, wir verfügen in diesem Jahr über eine breitere Basis und besitzen im Vierer mit ein ebenfalls starkes Boot, das gleichrangig zu dem Achter ist. Weil ein großes Potential vorhanden ist, gehen wir nicht strikt nach der Zweier-Ausscheidung. Es sitzen mit Bahne Rabe und Armin Eichholz zwei Sieger von Seoul und mit Armin Weyrauch und Matthias Ungemach zwei Weltmeister von 89 in dem Boot. Das Prinzip ist es, die Erfolgsaussichten auf eine breite Grundlage zu stellen. Sollten aber beide Boote nicht gut fahren, ist es durchaus möglich, daß wir noch einmal neu mischen.
Die Ruderer aus den neuen Bundesländern haben bei den Männern unerwartet schlecht abgeschnitten. Beispielsweise konnten sich im Zweier ohne Thomas Jung und Uwe Kellner als Vorjahresweltmeister, damals noch für die DDR startend, nicht qualifizieren und beim Leistungstest gegen Ruderer aus dem Olympiastützpunkt nur einen 5. Platz herausrudern. Welche Ursachen sind dafür ausschlaggebend?
Das System der DDR wird allgemein überschätzt. Die DDR suchte sich einige wenige medaillenträchtige Sportarten aus, in denen die westlichen Nationen noch relativ schwach waren. Es wurde, für unsere Maßstäbe, ein unheimlicher Aufwand getrieben. Hinzu kam die gesamte Organisation des Umfelds, die sportmedizinische, psychologische und biomechanische Betreuung. Dieser Apparat von hauptamtlichen Trainern, Medizinern und Funktionären fällt nun weg. Den Status eines Spitzensportlers zu besitzen, bedeutete eine große Attraktivität und wurde mit vielerlei Privilegien honoriert. Die Sportler waren sozial abgesichert. Als Staatsamateure brauchten sie neben dem Sport keinen Beruf auszuüben. Das existiert nicht mehr als Gesamtsystem. Heute müssen die Aktiven nicht allein Spitzenleistungen bringen, sondern auch einem Beruf bzw. einer Ausbildung nachgehen. Selbst im privaten Bereich treten vorher nie gekannte Probleme auf. Die Ehefrauen werden zum Teil arbeitslos, die Mieten steigen und die Kinder müssen dennoch versorgt werden. Die allgemeine Verunsicherung nimmt ständig zu. Das sind erhebliche Veränderungen. Doch ich glaube, nach einer Phase der Umstellung, werden einige Spitzensportler wieder an ihre alte Leistungen anknüpfen können.
Spielte Doping auch eine Rolle?
Ja auch, ich gehe davon aus, daß vom Verband Anabolika systematisch eingesetzt wurden. Wie das bei den einzelnen Sportlern aussah und welche Auswirkungen es auf deren Leistungsfähigkeit besaß, weiß ich nicht.
War die Regatta in Köln lediglich ein Prestigeduell für die Ruderer und Trainer aus den neuen Bundesländern oder ging es nicht vielmehr um eine gesicherte finanzielle Unterstützung der Ruderstützpunkte?
Finanzielle Aspekte spielen generell eine Rolle. Das alte System mit seinem hauptamtlichen Funktionärsapparat befindet sich in einer Übergangsphase, in der es abgebaut, verändert und zum Teil auch noch gestützt wird. Selbstverständlich wird versucht, über die sportliche Leistung eine gewisse Konzeption durchzusetzen, um Standorte und Strukturen zu erhalten. Es gibt keine direkten Auflagen für das Rudern, obwohl nach 1992 abgerechnet wird und man sich entscheiden muß, nach welchem System man weiter verfährt.
Am Wochenende müssen sich die deutschen Ruderer auf der Regatta in Duisburg erneut einem internationalen Vergleich stellen.
Duisburg hat mit 22 gemeldeten Nationen ein großartiges Meldeergebnis und besitzt einen echten Testcharakter. Wie auf der Rotsee-Regatta in Luzern, die ich von der Bedeutung her in einem Atemzug mit Duisburg nennen möchte, kommen auch die traditionell starken Achternationen aus den USA und aus Kanada. Als Vizeweltmeister des letzten Jahres werden vor allem die Kanadier zu beachten sein.
Ihre Prognose zum Ausgang des Rennens!
Schwer zu sagen, wer gewinnt, jedoch schätze ich, daß der Vierer um Bahne Rabe zumindest im Dortmunder Duell siegen wird. Interview: Klaus Möhlendick
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