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Deutsche sollen aufeinander zugehen

■ Bundespräsident Weizsäcker ruft zu Geduld und Toleranz im Einigungsprozeß auf

Hamburg (afp) - Bundespräsident Richard von Weizsäcker hat die Deutschen in Ost und West aufgefordert, stärker aufeinander zuzugehen. Entscheidend sei, daß sie sich gerade „inmitten dieses sehr harten Prozesses einander öffnen und nicht voneinander abgrenzen“, sagte Weizsäcker. Die langfristigen Chancen seien hervorragend und die damit verbundenen Aufgaben der Deutschen auch besonders groß. Besonders dringlich sei ein Informationsausstausch von Mensch zu Mensch. Es sei nicht gut, wenn Informationen nur durch Medien vermittelt würden. Weizsäcker regte an, mehr Westdeutsche sollten die Chance zu Besuchen in der ehemaligen DDR nutzen. Von psychologischen Belehrungen der Ostdeutschen durch die Westdeutschen halte er sehr wenig. „Es ist leicht, im saturierten Westen zu sitzen und denen im Osten, die Schwierigkeiten haben, Geduld zu predigen.“ Kritik aus dem Westen, wonach die neuen BundesbürgerInnen ständig nur fordern, wies der Präsident zurück. „Wer sich da umsieht, wird keineswegs ständig mit Forderungen an unsere Adresse konfrontiert.“ Larmoyanz sei ihm nicht begegnet, wohl aber Nüchternheit, Vernunft und der Wille anzupacken und aufzubauen. Man müsse Verständnis dafür haben, daß Menschen, die arbeitslos geworden seien, ihre Lebenssorgen offen bekundeten. „Wir im Westen als Gemeinwesen tun in der Tat viel, um diesen Übergangsprozeß zu fördern“, hätten aber keinen Grund, „uns über eine Anspruchshaltung zu ärgern“, so Weizsäcker. Auch im Hinblick auf die Vergangenheitsbewältigung sei es ratsam, nicht vom Westen her den Ablauf bestimmen zu wollen. Fortan sollte dazu übergegangen werden, alle Kräfte auf die Zukunft zu konzentrieren und nicht bei der Vergangenheit zu bleiben: „Die Wunden heilen nur sehr langsam.“

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