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Neulich

■ ... in einer Bremer Amtsstube

„Wo ist bloß mein Lineal?“ Die blonde Mittvierzigerin in karierter Bluse wühlt in Papierhaufen und hebt die Schreibtischmatte an. Vier Schreibtische stehen je zu zweit Kopf an Kopf in der Bremer Amtsstube. „Hast du wohl verlegt“, sagt der junge, blasse Kollege mit Scheitel und Brille am anderen Ende des Raumes. Akten stapeln sich bis zur Decke, ein alter Tresen trägt Spuren von tausend Besucher-Ellenbögen und abgelegten Handtaschen. „Wie kann so ein großes Lineal bloß verschwinden. Hab‘ ich wohl zum Frühstück gegessen, hahaha, seitdem ist's nämlich weg, hahahah.“ „Ja“, sagt der Kollege, „und das ist doch so ein ganz großes, nich?“ „Meine Schirme verlier ich ja auch immer. Ich kaufe nur noch ganz billige. Komm‘ ich neulich aus Karstadt, da regnet's wie verrückt...“ Sie raschelt mit der Bonbontüte: „Willst du auch einen?“ „Ja.“ Sie windet sich vorbei an den Schreibtischen zu ihm durch und streckt ihm die Tüte hin: „Die sind so fruchtig und ohne Zucker!“ Er greift zu. „Ja? Ohne Zucker? Mmh, die schmecken gut.“ „Die von Sula sollen ja auch so gut schmecken“, sagt sie. „Ich geh dann jetzt“, schnappt sie den Mantel vom Haken und flitzt in das Nebenzimmer, dessen Tür offensteht. „Ein Tomatenfleck?“ kreischt sie und deutet wahrscheinlich mit dem Zeigefinger auf die unsicht- und hörbare Kollegin, „Tomatenflecken sind bestialisch, irgendwo beißt du rein, und dann quetscht es überall raus...“ Sie kommt wieder ins Blickfeld und schultert die Handtasche. Aus dem Nebenraum brüllt eine Frauenstimme: „Da gab's heute wieder so leckeren Matjes auf dem Markt!“ „Ja?“ Die Blonde zurrt den Gürtel fest. „So'n Doppelfilet, nich, guck mal“, ruft die aus dem Nebenraum, „gaanz lecker.“ Die Blonde geht gucken: „Mann, sind die groß!“ schreit sie, „aber diese Müsliriegel mag ich ja überhaupt nicht. Die machen da ein Geschäft mit! Wo ist bloß mein Lineal? Bis morgen denn, nich? Beate Ramm

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