: »Mehr Uniform auf die Straße«
■ Der Anachronismus Freiwillige Polizeireserve soll aufgestockt werden/ Vertrauliches Papier von Polizeidirektor Karau liegt der taz vor/ Heckelmann plant dafür 3,4 Millionen Mark ein
Berlin. Von Rot-Grün sollte sie als längst überfälliges Relikt des Kalten Krieges zum Jahresende 1990 abgeschafft werden, unter Rot-Schwarz wird sie ausgebaut: Berlins Freiwillige Polizeireserve (FPR). Mit Datum vom 24. April 91 legte Polizeipräsident Schertz seinem Innensenator Dieter Heckelmann die »Neukonzeption der Freiwilligen Polizeireserve (FPR) 1991« vor — rechtzeitig zum 30jährigen Bestehen.
Formell erarbeitet von einer sechsköpfigen Arbeitsgruppe unter Leitung des Polizeidirektors Barnikow, trägt das vertrauliche 20seitige Elaborat, das der taz vorliegt, unverkennbar die Handschrift des Leiters des Referats Polizeireserve, Polizeidirektor Karau. Ganz offenkundig soll die CDU-Klientel befriedigt werden, der Eberhard Diepgen im Wahlkampf goldene Zeiten versprochen hatte. Die von den Reservisten derzeit jährlich zu leistenden 36 Wochen Objektschutzeinsatz sollen künftig auf 52 Wochenstunden erweitert werden. „Wegen der zu erwartenden Steuererhöhungen und des Abbaus der Berlinförderung«, heißt es in dem Papier, »erscheint die Einschätzung durchaus realistisch, daß sich Freiwillige in der dem jeweiligen Anlaß entsprechenden Größenordnung melden werden.« Auch an eine Erweiterung des Stellenplanes für die FPR ist gedacht. In Anlehnung an den einzigen der FPR vergleichbaren Möchtegern-Dienst, den »Freiwilligen Polizeidienst« in Baden-Württemberg, wird empfohlen, nach dortigem Muster die Obergrenze bei etwa 50 Prozent der Planstärke der regulären Polizei anzusiedeln. Die derzeit rund 2.700 Mann und Frau starke FPR könnte somit auf etwa 10.000 NebenverdienstlerInnen angehoben werden. Damit würde man zwar nicht dem populären Slogan »Mehr Grün auf die Straße« entsprechen, zumindest aber zu einem »Mehr Uniform auf der Straße« kommen. Zur Deckung der ersten Kosten soll Heckelmann nun rund 3,4 Mio. DM in den Polizeihaushalt einplanen. Offenbar ist die Wahlklientel der CDU einiges wert, auch wenn sich die Voraussetzungen für den Bestand der FPR längst erledigt haben. Dies gestehen die Autoren auch ein, wenn sie darauf verweisen, »daß das der Schaffung der FPR im Jahre 1961 zugrunde liegende Bedürfnis, der Bedrohung aus dem Osten in der besonderen Situation des Kalten Krieges entgegentreten zu können, im Laufe der Zeit immer mehr an Bedeutung verloren hatte, ja mit der Vereinigung der beiden Stadtteile West/Ost insgesamt keine Rechtfertigung mehr« besitzt. So wird mit dem Neukonzept flugs auch eine Neufassung des FPR-Gesetzes mitgeliefert, da die »nunmehr vorgeschlagene Aufgabenerweiterung [...] eine so erhebliche Abkehr vom ursprünglichen Wesensgehalt des Gesetzes« darstellt, daß ein »Neuregelungswille« notwendig werde.
Auch sich selbst hat Karau, der im Polizeipräsidium hinter vorgehaltener Hand auch als der »kleine Mann in Kittlaus' Ohr« gilt, nicht vergessen. Im Zuge der beabsichtigten Umstrukturierungen möchte er sein nachgeordnetes Referat als »operative Einheit« in die Landespolizeidirektion eingliedern. Daß die SPD, sicherheitspolitisch ohnehin abgetaucht, diesen Plänen großen Widerstand entgegensetzen wird, darf bezweifelt werden, ist Karau doch ein Freund ihres innenpolitischen Sprechers Hans-Georg Lorenz. Beschäftigt werden soll die FPR von der Auskunftserteilung zu Verkehrsverbindungen und Schulwegsicherung über Streifendienste auf Friedhöfen bis zum Einsatzkoch auf dem Kantinenwagen. Ruth Schoene
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