: Ende ohne Schrecken in Äthiopien
■ EPRDF-Guerilla nimmt Addis Abeba weitgehend kampflos ein/ Präsidentenpalast geht in Flammen auf/ US-vermittelte Gespräche in London enden mit Einsetzung einer EPRDF-Übergangsregierung
Berlin/Addis Abeba/London (taz/ afp/dpa) — Am Schluß ging alles sehr schnell. „Der Strom fiel aus. Die Stadt war völlig verdunkelt. Dann gingen plötzlich alle Lichter an, und die Rebellen waren drin“, beschrieb eine Berichterstatterin den Fall der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba.
Mit Panzern und Lasttieren drangen die aus Männern und Frauen bestehenden Einheiten der „Revolutionären Demokratischen Front des Äthiopischen Volkes“ (EPRDF) gestern in den frühen Morgenstunden in die Hauptstadt ein und übernahmen sie weitgehend kampflos. Nur um den Präsidentenpalast herum fielen Schüsse. Hier hatte sich die in Nordkorea ausgebildete Garde verschanzt. Wenig später ging der Palast in einem Feuerball auf. Ein Geschütz hatte ein Munitionslager auf dem Palastgelände explodieren lassen. Als nächstes legten die Aufständischen die Parteizentrale des Mengistu-Regimes in Schutt und Asche.
So nahmen sich die Rebellen ein Stadtviertel nach dem anderen vor. Überall liefen verängstigte Regierungssoldaten durch die Stadt. Obwohl die EPRDF eine 24stündige Ausgangssperre verhängte, gingen neugierige Menschen zu Hunderten auf die Straßen.
Nicht nur in Addis Abeba, auch bei den Gesprächen in London war der Sieg der Aufständischen komplett. Noch gestern nachmittag beschlossen die versammelten Unterhändler von drei Guerillabewegungen für eine Übergangszeit bis zum 1. Juli die Regierungsgewalt in Äthiopien an die EPRDF zu übertragen. Nach den Vorstellungen des US-Vermittlers Herman Cohen sollen noch in diesem Jahr demokratische Wahlen stattfinden. Die Übergangsregierung sollte Mitglieder der bisherigen Verwaltung einschließen und sich auf die existierenden Verwaltungsstrukturen stützen. Aus den Wahlen sollte eine verfassunggebende Versammlung hervorgehen. Aus Kreisen der „Oromo Liberation Front“ war gestern jedoch Kritik an der uneingeschränkten US-Unterstützung für die EPRDF zu hören. Dies stärke die bisherigen zentralistischen Machtstrukturen.
Das alte Regime scheint bereits in Vergessenheit geraten zu sein. Aus Ärger über die US-Ermutigung der EPRDF hatten seine Vertreter am Montag abend ihre Teilnahme an den Gesprächen in London abgesagt. Herman Cohen erklärte, dies sei für die Zukunft Äthiopiens „ohne Bedeutung“. Ein Oppositionsvertreter: „Verhandeln? Mit wem?“
Hunderttausende von Flüchtlingen ziehen derweil durch das Land und über die Grenzen hinaus. 440.000 Rekruten der Ex-Regierungsarmee haben sich in den letzten Wochen den Rebellen ergeben und sind nun auf dem Weg nach Hause. Im benachbarten Kleinstaat Dschibuti bauen französische Einheiten bereits Zeltlager für Flüchtlinge.
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