piwik no script img

Schäbiges Spiel mit schäbigem Ende

■ Roter Stern Belgrad — Olympique Marseille 5:3 n. Elfmeterschießen (0:0 nach Verlängerung)/ Belgrad gewinnt nach schwachem Finale als erstes jugoslawisches Team den Landesmeistercup

Berlin (taz/dpa) — Der heilige Nikolaus, Schutzpatron der Stadt Bari, meinte es am Vorabend des Fronleichnam nicht allzu gut mit den 52.000 Menschen, die sich in einer ganz besonderen Prozession ins Stadion „San Nicola“ begeben hatten, und mit den Millionen vor den Fernsehgeräten in aller Welt. Seinen Segen gönnte San Nicola während der zwei Stunden, die das Europacupfinale der Landesmeister währte, nur den beiden Torhütern: Stojanovic von Roter Stern Belgrad und Olmeta von Olympique Marseille. Sie verbrachten bis zum abschließenden Strafstoßschießen einen recht geruhsamen Abend, während ihre Mannschaftskameraden emsig damit beschäftigt waren, jeweils das Spiel der anderen Mannschaft zu zerstückeln.

Dabei hatte es gar nicht so schlecht begonnen. Die Belgrader um die exzellenten Techniker Robert Prosinecki und Dejan Savicevic begannen in gewohnter Manier, ihre eleganten Tänzchen im Mittelfeld aufzuführen, Marseille befleißigte sich eher einer Art Kick-and-Rush: lange Pässe vom brasilianischen Libero Mozer auf den englischen Linksfuß Waddle, der die Trennung von seinem langjährigen phonetischen Pendant Hoddle mittlerweile bestens verkraftet und seine volle spielerische Blüte erreicht hat.

Seine Aktionen vor allem sorgten für Gefahr in der Belgrader Hälfte, doch weder der hochgelobte Jean- Pierre Papin, der in der 12. Minute nach einem üblen Stellungsfehler der Sterne-Abwehr die klarste Torchance des gesamten Spieles kläglich versiebte, noch der sonst so trickreiche Ghanese Pelé vermochten etwas mit den Vorlagen des ballgewandten Briten anzufangen.

Nach etwa zwanzig Minuten begann die typische Beckenbauer-Taktik zu wirken, die die meisten Spieler des Roten Sterns schon von der WM in Italien her kannten und in schmerzlicher Erinnerung hatten. Das sonst so flüssige Kombinationsspiel der Belgrader wurde förmlich erstickt, indem eine dichte Kette von Olympique-Mittelfeldakteuren die Räume bis zur Unkenntlichkeit verengte. Die Jugoslawen müssen sich vorgekommen sein wie der Eingeschlossene in Edgar Allan Poes Kammer mit der näherrückenden Zimmerdecke. Kaum hatten sie den Ball, waren sie schon von drei Gegnern umringt, die ungehemmt nach diesem stocherten. Da auch die flinken Sturmspitzen Pancev und Binic meist bestens gedeckt waren und die Abwehrspieler strenge Defensivorder hatten, verpufften die Belgrader Angriffe bis auf wenige Ausnahmen, die in der Regel per Foulspiel entschärft wurden, wirkungslos. „Nur mit dieser defensiven Einstellung konnten wir gewinnen“, rechtfertigte sich Trainer Petrovic später, „hätten wir offensiver gespielt, wären wir ins offene Messer gelaufen.“

Nach vorn riskierten auch des Kaisers Untertanen, deren Boß Bernard Tapie für einen Triumph immerhin 300.000 Mark pro Mann versprochen hatte, herzlich wenig. So verflachte die Partie nach einer halben Stunde vollends und sollte nicht mehr auferstehen. „Bis auf Torhüter Stojanovic spielten die Millionenstars einen Mist zusammen“, urteilte die Londoner 'Daily Mail‘ völlig korrekt.

Nachdem Waddle kurz vor Schluß der regulären Spielzeit eine glänzende Kopfballchance verpaßt hatte und der lange verletzte, eingewechselte Olympique-Star Dragan Stojkovic zwar den besten Spielzug des ganzen Matches vollführte, sonst aber ebenfalls nicht Entscheidendes beitragen konnte, begannen beide Teams sich offensichtlich schon auf das Elfmeterschießen zu freuen.

Endlich gab es Arbeit für die Torhüter, auch, wenn sie vorzugsweise darin bestand, den Ball aus dem Netz zu holen. Nur ein einziger Schütze versagte: der allererste, Manuel Amoros, der wohl das Strafstoß- Trauma aus dem verlorenen WM- Halbfinale Frankreich-BRD 1982 in Sevilla immer noch nicht verwunden hat. Damals hatte er seinen Elfmeter noch souverän zum 4:5 in Schumachers Maschen gesetzt, diesmal aber schoß er schlappfüßig Stojanovic an. Da nutzte es nichts mehr, daß es seine Kameraden allesamt besser machten. Die Jugoslawen erwiesen sich zumindest vom Strafstoßpunkt als unfehlbar. „Bei uns werden Elfmeter am laufenden Band geschossen“, erklärte Dragan Binic, „darum können wir es.“ Verbandsmanager Miljan Miljanic hatte die Regel eingeführt, daß Meisterschaftsspiele, die am Ende unentschieden stehen, durch Strafstöße entschieden werden.

Der bis dahin lahmgelegte Torjäger Darko Pancev traf als letzter, zum zweitenmal nach 1986 (Barcelonas Niederlage gegen Bukarest) wurde ein Landesmeisterfinale durch Elfmeterschießen entschieden. Ein schäbiges Spiel hatte das verdiente schäbige Ende gefunden. Matti

Zuschauer: 52.000

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen