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Was steckt unterm blauen Helm?

Der Einsatz von UNO-Friedenstruppen erfolgt meist in entmilitarisierten Pufferzonen zwischen den Konfliktparteien/ Effektiv, solange kein „heißer Konflikt“ ausbricht/ Aber nicht in der Lage, einen Krieg zu verhindern  ■ Von Klaus Hillenbrand

Berlin (taz) — Auf der Spitze eines kahlen runden Hügels sitzen sieben Österreicher und langweilen sich. Die Hitze flimmert und der Kühlschrank in der Baracke aus Wellblech ist schon seit Tagen defekt. Die Hauptbeschäftigung der sieben jungen Männer mit den blauen Mützen besteht darin, vorhanden zu sein. Stationiert in der demilitarisierten UNO-Pufferzone, die die Republik Zypern vom türkisch besetzten Teil trennt, sollen sie dafür sorgen, daß sich die gegnerischen Soldaten nicht ins Gehege kommen.

Von ihrem Hügel haben die Österreicher einen guten Überblick über das Gelände. Mit starken Ferngläsern beobachten sie das Geschehen. In aller Regel geschieht gar nichts. „Keine besonderen Vorkommnisse“, meldet der Diensthabende denn auch heute den per Geländewagen angereisten Offizieren und steht dabei stramm.

Die UNO-Friedenstruppe auf Zypern (Unficyp) ist die älteste noch bestehende UNO-Einheit. Seit 27 Jahren bemüht sie sich mit wechselndem Erfolg, bewaffnete Konflikte zwischen zyperngriechischen und -türkischen Militärs zu vermeiden. Seit 1974 übt Unficyp die klassische Rolle einer Friedenstruppe aus: Ein Großteil der rund 2.100 Soldaten ist in einer Pufferzone stationiert, die sich über 189 Kilometer quer über die Insel erstreckt. An manchen Stellen, wie in der geteilten Hauptstadt Nikosia, ist sie nur 20 Meter breit, auf dem flachen Land hingegen bis zu sieben Kilometer.

Eine ähnliche Funktion fällt derzeit auch anderen UNO-Friedenstruppen zu: der Undof (UNO-Entflechtungsbeobachtungsstreitkräfte auf den Golan-Höhen) und der Unifil (UNO-Interimstreitkräfte im Libanon). Hinzu kommt die erst vor wenigen Wochen gebildete UNO-Friedenstruppe im Grenzgebiet zwischen Irak und Kuwait. Die gestern vom Sicherheitsrat gebildete Unavem II soll in Angola mit unbewaffnetem UNO- Personal den Waffenstillstand und die für 1992 vorgesehenen Wahlen überwachen.

Sie alle sollen einen Puffer zwischen gegnerischen militärischen Kräften bilden und allein durch ihre Präsenz bewaffnete Zwischenfälle verhindern. Insgesamt wurden bei bisher 16 friedenserhaltenden Operationen fast 500.000 Blauhelme eingesetzt. Ihre Präsenz in Krisengebieten beruht auf Abkommen, die zwischen den Konfliktparteien einerseits und den Vereinten Nationen andererseits abgeschlossen werden. Eine Friedenstruppe kann also nur dann gebildet werden, wenn beide Seiten an der Erhaltung eines Waffenstillstands interessiert sind. Als Friedensstifter in einem Krieg sind die Blauhelme dagegen vollkommen untauglich: Nur mit „leichten Waffen“ ausgerüstet, haben sie gegen modern ausgerüstete Streitkräfte und Luftwaffen keine Chance. So schlummert zum Beispiel auf Zypern für den Fall eines Krieges ein Evakuierungsplan für die Blauhelme in den Schreibtischen der Unficyp.

Der Begriff „leichte Waffen“ ist eine schwere Untertreibung. UNO- Truppen verfügen nicht nur über Pistolen oder Gewehre. Bei der Unficyp auf Zypern dröhnen regelmäßig schneeweiße, mit Maschinengewehren ausgerüstete gepanzerte Mannschaftswagen durch die Pufferzone. Sie sind zwar in jüngerer Zeit nicht in Kämpfe verwickelt worden, wohl aber einzelne Mitglieder der Blauhelm-Truppe. Ungefährlich ist der Einsatz in jedem Fall nicht. „Die härteren Jungs sind die Türken“, so der österreichische Offizier S. über die Objekte der Beobachtung. Die permanente Wachsamkeit unter „Kampfbedingungen“, meint er, mache den UNO-Einsatz zum „idealen Manöverbetrieb“. So betrachtet, dient der Blauhelm-Einsatz nicht nur der reinen Friedensliebe — er ist auch ein Training für den Krieg.

Dabei ist unumstritten, daß die 1988 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichneten UNO-Friedenstruppen tatsächlich zum Frieden beitragen. Ihre Existenz hilft, daß sich aus lokalen Zwischenfällen keine schweren bewaffneten Konflikte hochschaukeln. Sie sorgen für den nötigen Abstand zwischen den verfeindeten Kriegsparteien. Von der Waffe dürfen sie aber nur dann Gebrauch machen, wenn sie selbst angegriffen werden.

An Bewerbungen für den Einsatz jenseits von Salzburg und Wien mangelt es den Österreichern nicht. Der freiwillige Dienst in der Fremde — an dem auch Wehrpflichtige teilnehmen können — gilt als attraktiv, auch wenn man am Ende für zwei Wochen zu siebt ohne Pause auf einem Hügel sitzt. Befragt, warum sie sich freiwillig gemeldet hätten, fällt den UNO- Soldaten „Abenteuerlust“, „Interesse an fremden Ländern“ und „mal was anderes machen“ ein. Hochtrabend „dem Frieden dienen“ wollte offenbar keiner.

Nach dem SPD-Parteitagsbeschluß ist der Weg nun offen für eine Grundgesetzänderung. Sollten dann auch Bundeswehr-Soldaten demnächst im Rahmen von Friedenstruppen in die Ferne schweifen dürfen, bliebe ihre Länderauswahl wohl eng begrenzt. Ein Einsatz im Rahmen des Nahostkonflikts, etwa an der syrisch-israelischen Demarkationslinie am Golan, wird in Bonn mit Blick auf die deutsche Vergangenheit so gut wie ausgeschlossen. Dort aber sind die meisten Blauhelme im Einsatz. Gut möglich also, daß sich Bundeswehr und österreichisches Bundesheer demnächst in der UNO-Pufferzone auf Zypern Gesellschaft leisten.

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