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Ein Herz für Raucher

■ Auf Lufthansa-Inlandsflügen darf geraucht werden

Stuttgart (taz) — Das Gericht hätte sich den Tag nicht besser aussuchen können. Ausgerechnet zum Weltnichtrauchertag offenbarten die Richter der 22. Zivilkammer am Stuttgarter Landgericht ihr Herz für Raucher: sie wiesen gestern eine Klage ab, mit der der blaue Dunst auf Inlandsflügen der Lufthansa unterbunden werden sollte. Zwei Stuttgarter Rechtsanwälte, beides Vieljetter und Nichtraucher, hatten die schlechte Luft in den Fliegern satt und verlangten von der Lufthansa ein Rauchverbot auf Inlandsflügen. Doch das vermochte ihnen das Gericht nicht zusprechen. Lapidare Begründung: Die umstrittene Gesundheitsgefährdung durch das Passivrauchen sei quasi freiwillig — die Rechtsanwälte seien nicht „existentiell“ auf die Fliegerei angewiesen. Deshalb stelle die Benützung anderer Verkehrsmittel eine „hinzunehmende Unbequemlichkeit“ dar. Ob der Tabaksmog die Gesundheit gefährdet, spielte für die Richter keine Rolle. Ein gerichtlich auferlegtes Rauchverbot, so der Vorsitzende Richter Wolfgang Sobota, würden einen „ungerechtfertigten Eingriff in die allgemeinen Geschäftsbedingungen“ bedeuten. Die Kläger kündigten Revision an.

Während die malträtierten Nichtraucher nun weiter auf eine positive Regierungsentscheidung nach amerikanischem Vorbild hoffen müssen (dort darf bei bis zu sechsstündigen Flügen nicht geraucht werden), kann sich die deutsche Tabaklobby nach diesem Urteil kräftig die Hände reiben. In Allianz mit der verbündeten 'Bild‘- Zeitung (zufälligerweise ist der Ex- Philip-Morris-Chef und ehemalige Cigarettenindustrie-Verbandsvorsitzende Günther Wille heute Vorstandsmitglied des Springer-Verlags) hatte man letztes Jahr erfolgreich die für den Winter-Flugplan von der Lufthansa angekündigen „raucherfreien“ Inlandsflüge torpediert. 'Bild‘-Schlagzeile damals: „Lufthansa droht: Raucher in Handschellen“. Eine Anzeigenkampagne der Zigarettenindustrie folgte. Die ohnehin in den Sinkflug gleitende Fluglinie zog daraufhin ihr Angebot zurück und begründete dies mit drohenden Streitigkeiten unter den Fluggästen. Die Unterstützung aus den Bonner Regierungsetagen für das Bundesunternehmen blieb aus — schließlich gehörte die Tabaklobby jahrelang zu den großzügigsten Parteispendern. Erwin Single

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