: „Mitgefühl der Politiker empört uns“
■ Kaum sind Akten aufgetaucht, die die Zwangsadoption beweisen, wird uns geglaubt
Berlin. Das Wiedersehen mit ihrer Tochter Jeannette beschreibt Bärbel Grübel als „Schock“. In ihrem Kopf war immer noch die Vorstellung von der damals Vierjährigen, schilderte sie jetzt in Berlin ihre Eindrücke. Jeannette und ihr ein Jahr älterer Bruder Jens gehören zu den in der DDR zwangsadoptierten Kindern, deren Fälle vor knapp zwei Wochen nach dem Aktenfund im Bezirksamt Berlin-Mitte bekannt geworden sind. Nach dem Versuch, 1973 illegal von der Tschechoslowakei nach Österreich einzureisen, wurden sie und ihr Mann in der DDR zu zwei Jahren Haft verurteilt, berichtet Frau Grübel. Die Kinder seien zu den Großeltern gebracht worden, hätten die Behörden ihnen zunächst gesagt. Tatsächlich seien sie jedoch getrennt und in Kinderheimen untergebracht worden. Dann habe man sie nach Eisenhüttenstadt gebracht, wo sie nach einem Urteil eines DDR-Gerichts 1975 von einem kinderlosen Ehepaar adoptiert worden seien. „Mein Adoptivvater hat uns erzählt, daß unsere Eltern bei einem Autounfall ums Leben gekommen sind“, berichtet Jeannette Grübel. Rechtsanwalt Wolfgang Vogel aus Ost-Berlin habe 1990 einen Freund der Familie in den USA über den Aufenthaltsort von Jeannette und Jens informiert.
Am meisten empört habe sie in den 17 Jahren der Trennung das Verhalten der bundesdeutschen Behörden, sagt Frau Grübel. „Kaum sind Akten aufgetaucht, die die Zwangsadoption unserer Kinder beweisen, wird uns geglaubt.“ Vor dem Sturz des SED-Regimes sei ihnen von Beamten des inzwischen aufgelösten Bonner Ministeriums für innerdeutsche Beziehungen Hilfe mit dem Hinweis verweigert worden, sie hätten Gesetze eines souveränen Staates verletzt. „Die plötzliche Sensibilität der Politiker ist für uns demütigend“, sagt sie. Karin Schlottmann/dpa
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen