: Geknickte Optik
■ Podiumsdiskussion in der Kunsthochschule: „Gestaltete Umwelt“ / Dummheit und Design
Was ist gestaltete Umwelt? Wenn fünf DesignkennerInnen auf einem Podium sitzen und schwachsimpeln? Falsch. Gestaltete Umwelt ist, wenn eine Frau mit dicken Beinen keine engen Miniröcke trägt, sondern lange Freischwinger. Philip Rosenthal, Honorarprofessor an der HfK und moderierender Porzellanhersteller mit SPD-Hautgout, freut sich über sein anschauliches Beispiel zur optischen Umwelt-Hygiene und will uns Frauen auch bei der Pflicht zur Schönheit helfen: Mädchen sollten in der Schule nicht nur Daten irgendeines „Heinrichs des Verstopften“ lernen, sondern auch Geschmack, also wie man etwa große Nasen
versteckt. Kleines Murmelgrummeln rollt aus dem Publikum aufs Podium, wo noch vier ganz andere KennerInnen sitzen:
Etwa Barbara Brenner, das Muttchen des Rosenthal-Designs, das die Zeichen der Zeitgeister zwar nicht verstanden, aber erkannt hat: daß man nämlich „auch mit sich selber leben tut“ und drum im eigenen Heim Blumen, die hübsch sind, aufstellt, und das auf einem netten Tisch, an dem man nicht nur sitzen soll und satt werden, sondern seine Persönlichkeit leben. Persönlich leidet die Arme stark unter der Vorrede ihres Nachbarn, Professor Josef P. Kleinhues, eingebildeter Architekt, der elaborierte zehn Minuten braucht, um seine Umwandlung des Mottos „notwendige Rekonstruktion europäischer Städte“ in „kritische Rekonstruktion“ als Großtat zu vernebeln.
Dafür hat Angelika Jahr, Chefredakteurin von „Schöner Wohnen“ und „essen und trinken“, nach eigenen Angaben „mehr mit normalen Menschen“ zu tun. Wir wieder! Aber: zu jedem normalen Menschen „kommt ja immer noch der Geschmack dazu“. Verflixt! Frau Jahr glaubt dennoch an den guten Kern im schlechten Plüschsofa-Menschen und publiziert
hierhin bitte
die Karikatur
eben wegen der notwendigen Volksstilbildung tapfer weiter. Sie selbst gibt vor, im Zweifelsfall (eventuell unkommod gestaltete Umweltkatastrophen) lieber ungestaltet zu leben als gar nicht. Dr. Angela Schönberger, Geschäftsführerin des Designzentrums Berlin, erkennt zuletzt, daß Produkt-Fülle viel Müll macht und darum das Werkstoff-Problem das Problem der Dickbein- Ästhetik übertrifft.
Beim Stichwort Ästhetik langen alle nochmal zu. Für Gutbürger Philip Rosenthal sind ästhetisch reifere Menschen solche mit drei verschiedenen Blaus wie auf seinem Hemd oder gemütlich Beisammenseiende jenseits von New York (Moloch! Moloch!). Kleinhues will nicht weiterhin vom Auge her beleidigt werden. Der noch schnell eingetroffene Dr. Konrad Schily, Ottos Bruder und Leiter der Privat-Uni Witten/ Herdecke, hat ein ästhetisches Grundgefühl, womit man Musikberieselung in Toiletten als Vergewaltigung empfindet. Heiliges Sentiment! Frau Brenner endlich war schon in Venedig, wo kein Graffiti die herrlichen Wände befleckt und Stahl und Marmortreppen für alle Ewigkeit stehen und das ist schön: so schön so schön so schön so schön so schön so claks
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