Exemplarischer Spionageprozeß gegen Ex-Stasi-Generalmajor

Berlin (dpa/taz) — Seit gestern nchmittag wird vor dem Bayerischen Obersten Landesgericht ein Pilotverfahren verhandelt: Angeklagt ist der frühere Generalmajor des Staatssicherheitsdienstes der DDR, Harry Schütt (60), dem die Oberstaatsanwälte beim Bundesgerichtshof Beihilfe zum Landesverrat vorwerfen. Mit auf der Anklagebank sitzen ein früherer Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND) und dessen 62 Jahre alter, als Kurier eingesetzter Bruder sowie ein 52jähriger Ex-Oberstleutnant der Stasi. Das besondere an dem Verfahren: Schütt selbst hat keine Spionage betrieben, die DDR in Richtung Westen nie verlassen. Einer der Schütt-Verteidiger, Rechtsanwalt Alexander Ignor, hat daher zum Prozeßbeginn die Abtrennung und Einstellung des Verfahrens gegen seinen Mandanten beantragt. Der frühere Generalmajor könne nicht bestraft werden, schließlich habe es sich um die Tat eines Bürgers der ehemaligen DDR auf dem Gebiet der ehemaligen DDR und noch vor deren Beitritt zur Bundesrepublik gehandelt. Spionage sei völkerrechtlich erlaubt, man könne nicht zwischen der Spionage eines Rechtsstaates oder Unrechtsstaates unterscheiden. Notfalls solle das Verfahren, so der Anwalt, bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über diese Fragen ausgesetzt werden.

Das exemplarische Verfahren wäre nicht zustande gekommen, wenn die Bonner Politiker kurz vor der letzten Bundestagswahl den Forderungen aus dem Jusitiz- und Innenministerium gefolgt wären. Wegen der unabwägbaren juristischen Streitpunkte hatten die Rechtsexperten eine Amnestie im Bereich der Auslandsspionage ins Auge gefaßt. Jetzt wird unter anderem der frühere Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Richard Maier, als Sachverständiger auftreten. wg