: Polarlichter wie Leuchtgardinen
■ Klimaforscherinnen aus der Antarktis zurück / Wissen aus dem ewigen Eis
Die neun Frauen, die 1990/91 auf der Forschungsstation Georg von Neumayer in der Antarktis überwintert haben, sind inzwischen zurückgekehrt. Hinter sich haben sie enorme Strapazen, die Dunkelheit während des Südwinters, bittere Kälte und lange Sturmperioden. Ihre Arbeit haben sie trotz alledem hervorragend bewältigt. Die Station entwickelt u.a., zusammen mit dem Bremerhavener Alfred-Wegener-Institut und dem Forschungsschiff Polarstern, im Laborklima der Antarktis regionale und globale Umweltvorhersagen.
Im Dezember 1989 waren die Frauen angekommen: vier Wissenschaftlerinnen, zwei Ingenieurinnen, eine Köchin, eine Funkerin, eine Ärztin. Es herrschte wunderschönes Sommerwetter: Gleißende Sonne, Temperaturen dicht unter dem Gefrierpunkt. Nach einer Einarbeitungszeit — die Polarstern hatte die Station wieder verlassen — begann im März der Winter mit einem dreiwöchigen Schneesturm. Bis Dezember ist dann regelmäßig die Station von der Außenwelt abgeschnitten und nur über Funk erreichbar.
Die Polarnächte aber waren keineswegs fad und dunkel. An klaren Tagen erschienen Polarlichter. Estella Weigelt, Wissenschaftlerin, erzählt: „Faszinierende Lichterbänder bewegten sich wie leuchtende Gardinen im Wind über dem Himmel“.
Von Mitte Mai bis Mitte Juli war es um die Mittagszeit für drei bis vier Stunden so hell wie an einem Wintertag zuhause. Dann war es möglich, außerhalb der Station zu arbeiten und die seismologischen Außenstationen zu versorgen. In hellen Mondnächten konnten die Frquen sogar Ausflüge machen. „Wann immer Wetter und Routinearbeit es zuließen, haben wir die elf Kilometer entfernte Pinguinkolonie und die Robben besucht“, sagt die Wissenschaftlerin Monika Sobiesak.
Die ganzjährig besetzte deutsche Antarktisstation liefert wichtige meteorologische und geophysikalische Daten. Das geophysikalische Observatorium registriert Erdbeben, Eisbeben und Änderungen im Magnetfeld der Erde. Die Messungen erfassen auch Magnetstürme, die von Sonnenflecken ausgelöst werden und dienen u.a. der Beratung des magnetfeldabhängigen Funkverkehrs auf Kurzwelle.
Die Meßwerte der Wetterbeobachtungen gehen alle drei Stunden ins Weltbeobachtungsnetz ein. Der täglich aufsteigende Ballon mit Radiosonden gibt Hinweise auf die Zirkulation in der Stratosphäre und damit auch auf die Entstehung des Ozonlochs. Ab 1992 erhalten die Sonden zusätzlich einen Ozonsensor.
Weil die eisbedeckte Antarktis von den anderen Kontinenten weit entfernt ist, gibt sie ein erstklassiges Reinluftlabor ab. Störeinflüsse sind weitgehend ausgeschaltet.
Regelmäßige Funkkontakte hatten die Frauen mit den benachbarten Stationen Sanae (Südafrika), Halley (Großbritannien), Novolasarewskaja (UdSSR), Maitri (Indien) — und übrigens erstmals auch mit der Georg-Forster-Station der DDR. Bis Ende 1989 durften die DDR-Forscher nicht einmal in der Antarktis mit ihren westdeutschen Kollegen telefonieren.
taz
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