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Permanente Spannung auf dem Arbeitsmarkt

■ Franke: Arbeitslosenzahlen im Osten geringfügig gestiegen um 5.300 auf 842.300/ In den neuen Ländern dauern die mit dem wirtschaftlichen Wiederaufbau verbundenen Anpassungsprobleme an/ Arbeitsmarktpolitische Instrumente „zeigen Wirkung“

Nürnberg. Die Zahl der Arbeitslosen in den neuen Bundesländern ist im Mai nur geringfügig gestiegen, während sie in Westdeutschland weiter zurückging.

Der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit, Heinrich Franke, teilte in Nürnberg den Trend der Arbeitslosenzahlen mit. In der ehemaligen DDR und dem Ostteil Berlins stiegen sie um 5.300 auf 842.300. Die Arbeitslosenquote blieb mit 9,5 Prozent konstant. Franke wies allerdings darauf hin, daß in den nächsten Monaten noch viele Arbeitsplätze abgebaut werden. In den alten Bundesländern verringerte sich die Arbeitslosenzahl um 48.300 auf 1.603.700. Die Arbeitslosenquote sank damit binnen Jahresfrist von 6,2 auf 5,4 Prozent. Die Zahl der Kurzarbeiter ging in der ehemaligen DDR erstmals zurück. Im Mai zählten die Arbeitsämter mit 1.963.100 Kurzarbeitern 55.800 weniger als einen Monat zuvor. Der durchschnittliche Arbeitsausfall erhöhte sich allerdings von 55 auf 56 Prozent. Im Westen verringerte sich die Zahl der Kurzarbeiter im Mai um 34.100 auf 111.000, vor allem weil der Steinkohlebergbau keine Feierschichten einlegte.

Eine deutliche Abnahme der Kurzarbeit gab es in der Bauwirtschaft und im Maschinenbau, einen Anstieg verzeichnete dagegen die Elektrotechnik. Franke zufolge macht sich im Osten der massive Einsatz arbeitsmarktpolitischer Instrumente, wie berufliche Qualifizierung und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen sowie zunehmende Pendlerbewegungen, bemerkbar. Schätzungsweise 350.000 Pendler wohnen in den neuen Bundesländern und arbeiten in den alten. Die Kräftenachfrage blieb im Osten wie im Westen allerdings verhalten. Der Zugang an Stellenangeboten in den neuen Ländern war im Mai mit 55.200 zwar wiederum größer als im Vormonat, doch wirkte sich hierbei die Ausweitung der Allgemeinen Maßnahmen zur Arbeitsbeschaffung (ABM) aus. Dies habe auch bei der Zunahme der Arbeitsvermittlungen von 42.800 im April auf 47.400 im Mai eine Rolle gespielt.

Deutlich vorangekommen sei die von den Arbeitsämtern geförderte berufliche Weiterbildung. Im Mai begannen laut Franke in Ostdeutschland 69.500 Arbeitnehmer eine Fortbildung, Umschulung oder betriebliche Einarbeitung. Seit Jahresbeginn waren es 281.200 und damit mehr als die Hälfte der für das Jahr 1991 angestrebten Zahl von 550.000. In Arbeitsbeschaffungs-Maßnahmen (ABM) waren im Mai 113.600 Personen beschäftigt, 28.700 mehr als im April. Zur weiteren Entlastung des Arbeitsmarktes trägt nach Angaben Frankes auch das Altersübergangsgeld bei, das Ende Mai an rund 141.000 Arbeitnehmer gezahlt wurde. Außerdem erhielten 372.000 Vorruhestandsgeld.

In Westdeutschland weitete sich die Beschäftigung aus. Ende April waren nach Angaben des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden 28,9 Millionen Menschen beschäftigt. Das sind 670.000 mehr als ein Jahr zuvor. Saisonbereinigt lag der Anstieg von März bis April bei 45.000. Betriebe und Verwaltungen meldeten 180.200 Stellen. Arbeitsämter bahnten 186.300 neue Beschäftigungsverhältnisse an. Die Zahl derer, die an beruflicher Weiterbildung teilnehmen, erhöhte sich im Vergleich zum Mai des Vorjahres um 8.800 auf 375.400. Insgesamt 78.500 Personen, vorwiegend Aussiedler, beteiligten sich Ende Mai an einem Sprachlehrgang. In ABM- Stellen wurden 84.600 beschäftigt. Dies ist binnen Jahresfrist ein Rückgang um 1.200. Das Programm der Bundesregierung „Beschäftigungshilfe für Langzeitarbeitslose“ verhalf Ende Mai 58.600 Personen zu einem Arbeitsplatz. Regierunssprecher Dieter Vogel wies in Bonn darauf hin, daß in den neuen Bundesländern die mit dem wirtschaftlichen Wiederaufbau verbundenen Anpassungsprobleme andauerten. Allerdings zeige die erhebliche Verstärkung der arbeitsmarktpolitischen Anstrengungen Erfolge.

Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Rudolf Dreßler, warnte davor, die Arbeitsmarktzahlen mitten in einer tiefen Beschäftigungskrise als Zeichen der Entspannung mißzuverstehen. afp

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