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Stanley Beamishs Jungfernflug

■ Jack Arnolds Superheldenpersiflage „Immer wenn er Pillen nahm“ ab heute bei RTLplus (18.10 Uhr)

Jubel allerorten: Eine der schönsten und ausgeklinktesten, begnadetsten und liebenswertesten und darum kultisch verehrten TV-Serien ist endlich wieder im Programm. Selbst erklärte Nichtfernseher erinnern sich verzückt an jene legendären Zeilen, mit denen einst, um den Jänner 1970 herum, jede Episode begann: „Denn seine große Stunde kam/ Immer wenn er Pillen nahm.“

Bei diesen ominösen Pillen handelt es sich um eine Entwicklung des „Bureau of Secret Projects“, kurz BSP, einer weitgehend unbekannten Organisation der US-Regierung. Diese Pille hat eine schier unglaubliche Wirkung, denn sie kann einen Mann binnen Sekunden in einen Superhelden verwandeln, dessen Fähigkeiten denen eines „Captain Marvel“, „Superman“ oder „Batman“ in nichts nachstehen, sie gar übertreffen. Zum Leidwesen des Projektleiters Barton J. Reed ist aber tatsächlich nur ein einziger Mensch in der Lage, die Superpille einzunehmen, ohne von unangenehmen Nebenwirkungen zerrüttet zu werden, und dieses Individuum ist der freundliche, großherzige und etwas naive Tankwart Stanley Beamish. Niemand weiß, daß Stanley eine Doppelexistenz führt und sich in „Mr.Terrific“ — so lautet der Originaltitel — verwandelt, wenn die Nation Gefahr läuft, von gewissen- wie skruppellosen Verbrechern zerschmettert zu werden. In solchen Fällen wird der schüchterne Hänfling zum unbezwingbaren Muskelprotz und flattert mit wehendem Cape durch die Lüfte. Dabei muß er sich regelmäßig beeilen, seine Mission zu erfüllen, denn die Wirkung seiner Pille hält nur sechzig Minuten an. Notfalls kann er zwar zwei „Booster Pillen“ nachwerfen, die ihn nochmal für weitere zwanzig Minuten mit Superkräften ausstatten, aber dann ist Feierabend. Stanleys Pech ist es, ständig die Zeit zu vergessen, und diese Serie bezieht ihre Komik größtenteils daraus, daß die Unschlagbarkeit des Helden immer dann nachläßt, wenn er am dringendsten darauf angewiesen ist.

Für die Szenen, in denen Beamish raketengleich durch die Sphären düst, dachten sich die Techniker der Spezialeffekte-Abteilung ein ungewöhnliches Verfahren aus, da man die herkömmliche Methode, den Schauspieler an Klaviersaiten aufzuhängen, so weit wie möglich vermeiden wollte. Statt dessen baute man ein Gerüst mit einem dünnen Ausleger, auf dem ein metallener Torso befestigt war. In diesen Torso mußte sich Stephen Strimpell, der Darsteller des „Mr.Terrific“, bäuchlings hineinlegen und Flugbewegungen simulieren. Es geht die Mär, Strimpell sei nach Ausstrahlung der ersten Folge von einem Vogelkundler darauf aufmerksam gemacht worden, daß seine „Flügelschläge“ nicht der Natur entsprächen. Strimpells lakonische Antwort soll gelautet haben: „Mag sein. Aber bedenken Sie bitte — es war mein Jungernflug.“

Einige Episoden dieser parodistisch angelegten Serie wurden vom ausführenden Produzenten Jack Arnold selbst inszeniert. Rückblickend äußerte Arnold einmal: „In meinen Filmen hatte ich gerne Geist und Humor, daneben Suspense und vor allem Atmosphäre.“ Das gilt auch für seine Fernseharbeiten, und eben dem köstlichenMr.Terrific. Herr Dittmeyer

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