IG Metall-Zukunft im weltweiten Nebel

Auf ihrem Frankfurter Jubiläumskongreß verlor sich die Gewerkschaft im Abstrakten/ Wege zur grenzüberschreitenden Solidarität wurden gesucht, aber nicht gefunden  ■ Aus Frankfurt Martin Kempe

Der spanische Ministerpräsident Gonzales kam nicht rechtzeitig vom Staatsbesuch in Japan zurück und mußte absagen. Der streßgeschädigte IG-Metall-Vorsitzende Franz Steinkühler, Gastgeber des zweitägigen Zukunftskongresses der IGM, hatte sich am Mittwoch nach der offiziellen Jubelfeier zum hundertsten Gründungsjahr seiner Organisation aufs Krankenlager begeben und ein gestriges Schlußreferat von seinem Stellvertreter Klaus Zwickel verlesen lassen. Und so blieb als leibhaftig anwesende Referentin am Schlußtag des Konresses nur die Griechin Vasso Papandreou, Mitglied der EG- Kommission. Sie konnte allerdings den zahlreichen Teilnehmern der Mammutveranstaltung mit ihren Ausführungen zur sozialstaatlichen Ausgestaltung der EG auch nicht mehr das Gefühl nehmen, einer Veranstaltung beizuwohnen, in der Aufwand und Ertrag im umgekehrten Verhältnis zueinander stehen. Am Donnerstagnachmittag hatte Bruno Trentin, Generalsekretär des italienischen Gewerkschaftsverbandes CGIL, in einem Referat zur Zukunft der Gewerkschaften die Öffnung der Arbeitnehmerorganisationen für die Lebenswelt in den Städten und Regionen gefordert. Der Arbeitsplatz sei heute nicht mehr in gleicher Weise wie früher prägend für die Menschen, für ihr kulturelles und politisches Verhalten. Wenn die Gewerkschaften weiterhin die Menschen erreichen wollten, müßten sie den Menschen in ihr außerbetriebliches Lebensumfeld folgen. Nachdenklich kritische Töne fand der stellvertretende SPD-Vorsitzende Wolfgang Thierse. Niemand spreche den Gewerkschaften das Recht ab, die soziale Unausgewogenheit bei der Finanzierung der deutschen Einheit zu kritisieren. Aber dies enthebe die Gewerkschaften keineswegs eines eigenständigen Beitrages. Auch die Gewerkschaften hätten sich bislang davor gedrückt, ihren westdeutschen Mitgliedern reinen Wein einzuschenken: Eine wirkliche Angleichung der Lebensverhältnisse zwischen West und Ost sei ohne zeitweiligen Verzicht der westdeutschen zugunsten der ostdeutschen Bevölkerung nicht möglich. In seinem Abschlußreferat ließ Steinkühler seine Vorstellung von einem „Bündnis zwischen alten und neuen Bewegungen“ vortragen. Die neuen sozialen Bewegungen müßten sich dafür deutlicher „für sozialpolitische, für beschäftigungspolitische, für verteilungspolitische Fragen und Initiativen öffnen“. Seiner eigenen Organisation dagegen wies er die weltweite Perspektive einer sozialen und ökologischen Erneuerung. Die anwesenden Gewerkschafter hörten schweigend zu.