: Wenn dem FCK die Stunde schlägt
■ Kaiserslautern Fußballer vermasseln ihren Fans die große Meisterfeier und verlieren am vorletzen Spieltag der Bundesliga nicht einmal unverdient gegen Borussia Mönchengladbach mit 2:3
Kaiserslautern (taz) — Die Pfalz trauert — mindestens für eine Woche. „Bleiben Sie nach dem Spiel auf ihren Plätzen. Die Mannschaft wird eine Ehrenrunde laufen. Danach öffnen wir die Fluchttore und feiern gemeinsam mit unseren Spielern!“ Nichts war's — Stadionsprecher Udo Scholz hatte die FCK-Fans umsonst gemahnt. Trainer Karlheinz Feldkamp war da schon vorsichtiger, als er das Angebot des DFB ablehnte, die Meisterschale bereits nach dem vorletzten Spieltag zu verleihen.
Denn die Vorzeichen standen schlecht. Borussia Mönchengladbach kam als die Mannschaft zum Betzenberg, die hier in 25 gemeinsamen Bundesliga-Jahren 25:25 Punkte holte und dabei elfmal siegte. Und der FCK hatte in den letzten Jahren mehrmals seine Heimspiele total vergeigt. 1987 hatten die Pfälzer noch die Chance, den UEFA-Cup zu erreichen und unterlagen dem HSV mit 0:4. Zwei Jahre später gab es zum Abschied von Trainer Stapel ein 0:3-Debakel gegen den Intimfeind SV Waldhof. Und letztes Jahr, als der Klassenerhalt bereits sicher war, siegten die Nürnberger hier mit 3:1.
Einen kompletten 1.FC Kaiserslautern hätte dies alles wohl kaum aus der Bahn geworfen. Doch mit den verletzten Reinhard Stumpf und Miroslav Kadlec sowie dem gelb-gesperrten Stefan Kuntz fehlten genau die Spieler, die ihren Nebenleuten in kritischen Momenten die nötige Portion Sicherheit geben können. Eine Aufgabe, der zum Beispiel Not-Libero Rainer Ernst nicht gewachsen war. Und auch Torhüter Gerry Ehrmann patzte. Thomas Kastenmaier, Ex-Bayer aus München im grün- schwarzen Dress, zog von rechts ab, dem unglücklichen Keeper rutschte das Leder durch die feuchten Handschuhe und kullerte ins Netz. Lähmendes Entsetzen im Stadion.
Nun sind aber Rückstände dieses Ausmaßes die Normalität in Kaiserslautern und außerdem stand es in Nürnberg ja noch 0:0. Als wiederum Kastenmaier in der 20. Minute einen Freistoß verwandelte, war der FCK immer noch Erster und die Bayern mit drei Punkten Abstand dahinter. Schließlich hatte der KSC vor vier Wochen auch mit 2:0 geführt und noch verloren. Aber diesmal ging alles schief im Fritz-Walter-Stadion, was eine Saison lang funktioniert hatte. Die Abwehr flatterte, der Libero wankte, im Mittelfeld lief nichts zusammen und die Stürmer hatten Angst vor dem Versagen.
Anders die Borussia: Wynhoff hätte in der 23. Minute schon alles klar machen können, doch Ehrmann warf sich ihm entgegen. Dann führten die Bayern in Nürnberg mit 1:0. Kurz vor der Pause gelang Tom Dooley das Anschlußtor, doch Schiedsrichter Wiesel sah ein Abseits. In der Pause war es mucksmäuschenstill auf dem Betzenberg, keine „La- ola“-Welle wogte mehr durch die Ränge. Und als Raimund Aumann 300 Kilometer östlich gar einen Elfmeter von Jörg Dittwar hielt, verschwanden die Lauterer Hoffnungen auf fränkische Hilfestellung.
Uwe Kamps, Gladbachs Bester, rettete gegen Labbadia, Scherr und Lelle. Die Zeit zerrann wie ein Eis in der Sommersonne. Hotics Versuch, einen Elfmeter zu schinden, schlug fehl und fast im Gegenzug erzielte Peter Wynhoff das 0:3. Nun blieb nur noch der Glaube an den Club, doch wenig später war im Frankenstadion Schluß: 1:0 für Bayern München. Alle Lauterer Blicke richteten sich jetzt schon auf das finale Schicksalsspiel in Köln.
Da fiel Schupp im Strafraum, und zwei Minuten vor Schluß verwandelte Markus Kranz den Elfmeter zum 1:3. Als Bruno Labbadia eine Minute später gar das 2:3 erzielte, stand der gesamte „Betze“ nochmal auf. Und um eine rettende Hand des Uwe Kamps wäre fast noch das meisterschaftsrettende 3:3 gefallen. So bleibt dem FCK nur die Hoffnung auf Köln und die Gewißheit, in entscheidenden Auswärtsspielen oft erfolgreich gewesen zu sein. Wie 1965 bei der Frankfurter Eintracht, als man fast abgestiegen war und durch ein 2:1 im Waldstadion den Kopf aus der Schlinge ziehen konnte.
Nächsten Samstag in Müngersdorf wird zwar Stefan Kuntz wieder dabei sein, aber Karlheinz Feldkamp wird erst einmal seine Spieler davon überzeugen müssen, daß noch gar nichts verloren ist. Aufrichten muß er sie, die Niedergeschlagenen, die voller Versagensangst und mit vollen Hosen gegen Gladbach die große Fete verdarben. Eine ganze Stadt verharrte punkt 17.19 Uhr paralysiert, unfähig, das Geschehene noch zu begreifen. Feldkamp aber muß jetzt beweisen, daß er wirklich der Motivationskünstler ist, für den man ihn hält. Denn nun hat dem FCK die Stunde der Entscheidung geschlagen. Günther Rohrbacher-List
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