piwik no script img

Streikdrohung im Einzelhandel

■ Gewerkschaft HBV fordert einheitlich 350 Mark mehr für Angestellte

Wenn die Arbeitgeber bei der nächsten Tarifverhandlung für den Bremer Einzelhandel am kommenden Freitag „nicht deutlich mehr auf den Tisch legen“, will die Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV) zu Streiks aufrufen. Das kündigte der geschäftsführende HBV-Sekretär Helmut Thiel gestern vor der Presse an. Bis Freitag werde die HBV Urabstimmungen in neun Bremer Betrieben durchführen, um die Streikbereitschaft der Belegschaften zu erkunden. Die im Einzelhandelsverband Nordsee zusammengeschlossenen Unternehmer bieten eine Lohnerhöhung von durchschnittlich 6,5 Prozent, während die Gewerkschaft eine Erhöhung aller Gehälter um 350 Mark pro Monat fordert.

Inge von der Lieth, HBV-Betriebsrätin bei Karstadt, wertete das Unternehmerangebot „als Versuch, die Streikbereitschaft der Beschäftigten zu brechen“. Die Arbeitgeber haben die Löhne rückwirkend vom 1. Mai an freiwillig um 6,5 Prozent erhöht, „als Vorgriff auf eine Tariferhöhung“, meint sie.

In der Gehaltsgruppe II für VerkäuferInnen, die zwischen einem und sechs Jahren im Einzelhandel arbeiten, beträgt die Erhöhung bis zu 12,4 Prozent. Das bedeutet ein Plus von 237 Mark. Die unteren Lohngruppen kommen bei dem Zuschlag von 6,5 Prozent weniger gut weg. Ein 18jähriger Verkäufer im ersten Berufsjahr würde monatlich zu seinen 1.375 Mark nur 89 Mark mehr verdienen, rechnete HBV-Sekretär Thiel vor.

Im Gegensatz zum Angebot der Unternehmer fordert die Gewerkschaft für alle Lohngruppen einen Zuschlag in gleicher Höhe: 350 Mark pro Monat. Außerdem soll die untere Lohngruppe I ersatzlos gestrichen werden. Für VerkäuferInnen der Lohngruppe II will die HBV den Übergang in die nächsthöhere Gehaltsstufe erleichtern, damit die Beschäftigten nicht nach sieben Berufsjahren für den Rest ihres Lebens auf 2.626 Mark Brutto hängenbleiben.

Hans Jürgen Kröger, Bremer Vorsitzender der HBV, rechnete vor, daß viele VerkäuferInnen bei einer Lohnerhöhung von 6,5 Prozent unter dem Strich, Preissteigerung und Steuerhöhung eingerechnet, weniger verdienen als zuvor. Angesichts der „glänzenden Geschäfte im Einzelhandel und der Umsatzsteigerung von 13,6 Prozent im ersten Halbjahr 1991“ sei das Unternehmer-Angebot unzumutbar. Kröger: „Die Arbeitgeber brauchen sich nicht zu wundern, wenn sie keine qualifizierten Arbeitskräfte bekommen.“

Die DAG fordert eine Lohnerhöhung um zehn Prozent. „Wegen der unterschiedlichen Forderungen können wir nicht gemeinsam in die Tarifverhandlungen gehen“, so HBV-Sekretär Thiel. Am Freitag wird weiter verhandelt. och

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen