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Deutschland verliert den Titel „Export-Weltmeister“

■ Erstmals seit zehn Jahren rutscht die Außenhandelsbilanz ins Defizit

Wiesbaden (ap/dpa/taz) — Erstmals seit zehn Jahren hat die Bundesrepublik im Außenhandel rote Zahlen geschrieben. Wie das Statistische Bundesamt gestern mitteilte, weist die Außenhandelsbilanz des einstigen Export-Weltmeisters für April ein Minus von 1,4 Milliarden Mark aus. Das letzte Monatsdefizit war im August 1981 verzeichnet worden.

Auch in der Leistungsbilanz klaffte im April eine 2,7 Milliarden Mark große Lücke. Die Leistungsbilanz, in der neben den Waren auch die grenzüberschreitenden Dienstleistungen (wie Tourismus und Transport) und die unentgeltlichen Leistungen (Zahlungen an internationale Organisationen und Gastarbeiterüberweisungen) erfaßt werden, ist allerdings schon seit geraumer Zeit im Minus. Für den April ermittelte die Deutsche Bundesbank einen Fehlbetrag von 2,7 Milliarden DM. Seit Jahresbeginn ist damit das Loch in der deutschen Leistungsbilanz auf zwölf Milliarden DM gewachsen. Eine der Ursachen für die Defizite ist die weltweite Konjunkturflaute: Im Ausland werden weniger Waren eingeführt. Als zweite Ursache gilt der Konsum-Nachholbedarf in den neuen Bundesländern, der nur durch Importe gedeckt werden kann. So wuchs die Wareneinfuhr gegenüber April 1990 um 17 Prozent auf 55,4 Mrd. DM; der Export ging um 2,8 Prozent auf knapp 54 Mrd. DM zurück. Auch im Vergleich zum Vormonat wurde der Doppeltrend deutlich: Im April legten die Importe gegenüber März um 3,8 Prozent zu, die Exporte nahmen um 3,9 Prozent ab.

Leise Hoffnungen für den Export machte gestern jedoch das HWWA- Institut für Wirtschaftsforschung, das die Weltkonjunktur vor der Besserung sieht. Die Rezession in den USA, Großbritannien und Schweden werde im Sommerhalbjahr zu Ende gehen. Das reale Bruttosozialprodukt werde sich im Durchschnitt der Industrieländer 1991 um ein Prozent, 1992 um 2,5 Prozent erhöhen. Als Gründe für den Optimismus nennt das HWWA, daß die Eskalation der Golfkriegskosten ausgeblieben sei und sich das Preisklima beruhigt hätte. Wegen hoher Überschüsse in Leistungs- und Handelsbilanz war die Bundesrepublik in den vergangenen Jahren international stark kritisiert worden. Diese Kritik muß nun der alleinige Exportweltmeister Japan alleine ertragen. dri

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