: VKSE-Akommen soll noch im Herbst ratifiziert werden
Wortlaut des VKSE-Abkommens liegt der taz vor/ Vertrag de facto auch auf asiatische Teile der SU ausgedehnt ■ Aus Genf Andreas Zumach
Offiziell herrscht zwischen den Supermächten in der Frage konventioneller Abrüstung seit knapp zwei Wochen Harmonie; doch wie genau der sowjetische Außenminister Bessmertnych und sein US-Kollege Baker am 31. Mai in Lissabon den Streit über den „Vertrag über konventionelle Sicherheit in Europa“ (VKSE) beilegten, blieb im Dunkeln. Wie nun aus der bislang unveröffentlichten Vereinbarung, die der taz vorliegt, hervorgeht, sind bis auf Detailfragen des Informationsaustausches und der Verifikation von sowjetischen Stationierungsorten östlich des Urals alle Differenzen ausgeräumt.
Weit mehr Klärungsbedarf dürften die beiden Außenminister allerdings haben, wenn sie ihre Gespräche über das START-Abkommen zur Verringerung atomarer Langstreckenwaffen demnächst fortsetzen werden.
VKSE-Unterhändler in Wien gehen davon aus, daß die übrigen 20 Vertragsstaaten dieser Vereinbarung im Laufe dieser Woche zustimmen und die noch offenen Fragen abschließend klären. Bundesdeutsche Diplomaten rechnen damit, daß das Abkommen im Herbst dieses Jahres von den 22 nationalen Parlamenten ratifiziert wird und in Kraft tritt. Seit Vertragsunterzeichnung war umstritten, ob und inwieweit die vom Vertrag erfaßten Waffentypen auch bei den Wachtruppen sowjetischer Raketenstellungen, bei Küstenschutzverbänden sowie bei drei Marinedivisionen unter das Abkommen fallen und reduziert werden müssen. Letztere hatte das sowjetische Verteidigungsministerium erst kurz zuvor von Armee- in Marineeinheiten umgewandelt. Die USA hatten der Sowjetunion vorgeworfen, konventionelle Streitkräfte kurzerhand aus dem Abkommen „hinausdefiniert“ zu haben. Gemäß der Lissaboner Vereinbarung wird Moskau nun einseitig erklären, die Zahl der Artilleriegeschütze, Panzer und Infanteriefahrzeuge bei diesen Militärverbänden nicht zu erhöhen. Die UdSSR verpflichtet sich zweitens, bis spätestens 40 Monate nach Inkrafttreten des Abkommens die Gesamtzahl dieser Waffentypen im Vertragsgebiet westlich des Urals auf die vereinbarten Obergrenzen zu reduzieren. Dies kann laut Vereinbarung entweder durch Zerstörung im Vertragsgebiet oder durch Verlagerung in das bislang nicht vom VKSE-Abkommen erfaßte Territorium östlich des Urals geschehen. Dort muß dann eine entsprechende Zahl von Waffen zerstört oder für zivile Nutzung umgerüstet werden.
Diese Vereinbarung bedeutet de facto eine Ausdehnung der Gültigkeit des VKSE-Vertrages zumindest auf Teile des asiatischen Territoriums der UdSSR. In Wien sollen diese Woche noch genau die Verifikationsmaßnahmen und Rechte von Inspektoren auf diesem Gebiet geregelt werden.
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