: Gemeinsames Sorgerecht auch ohne Trauschein
■ Karlsruher Richter kassieren Passus des Familienrechts
Karlsruhe (ap) — Das Bundesverfassungsgericht hat die Rechte von Paaren ohne Trauschein deutlich gestärkt: Nichtverheirateten Eltern darf nach einer am Mittwoch veröffentlichten Entscheidung nicht länger das gemeinsame Sorgerecht für ein Kind verweigert werden, sofern das Kindeswohl dadurch nicht beeinträchtigt wird. Mit diesem Urteil erklärten die Verfassungsrichter eine Vorschrift des Familienrechts für grundgesetzwidrig, wonach das Sorgerecht für ein nichteheliches Kind generell nur einem Elternteil zusteht. Damit würden diese Kinder rechtlich benachteiligt.
Das höchste Gericht stellt in seiner Entscheidung ausdrücklich fest, daß aus der Pflicht des Staates zum Schutz von Ehe und Familie nicht gefolgert werden könne, daß nichteheliche Lebensgemeinschaften in jeder Hinsicht schlechter zu behandeln seien als Ehen. Das Urteil verpflichtet den Gesetzgeber zur Korrektur des geltenden Familienrechts.
In den Fällen, in denen Vater und Mutter mit dem Kind zusammenlebten und das von ihnen angestrebte gemeinsame Sorgerecht dem Kindeswohl entspreche, gebe es für eine Einschränkung des Elternrechts beider Elternteile keinen Grund, betonte das Bundesverfassungsgericht. Die Entscheidung des Gesetzgebers, das nichteheliche Kind ausnahmslos nur einem Elternteil zuzuordnen, könne für diese Fälle weder mit einem Konflikt zwischen den Eltern noch mit den Interessen des Kindes begründet werden. Es entspreche vielmehr dem Wohl des Kindes, daß seine Bindung an beide Elternteile rechtlich abgesichert werde.
Im Zuge der Gleichstellung nichtehelicher Kinder hatte der Gesetzgeber 1969 beschlossen, daß diese auf Antrag des Vaters und — bei Minderjährigen — mit Zustimmung der Mutter für ehelich erklärt werden können. Das Kind wird damit gegenüber dem Vater erbberechtigt und erhält dessen Familiennamen. Zugleich geht aber das Recht und die Pflicht zur Ausübung der elterlichen Sorge allein auf den Vater über. Dieser Verlust des Sorgerechts für die Mutter ist nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts unvereinbar mit Artikel 6 des Grundgesetzes, der den Schutz von Ehe und Familie festschreibt.
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