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Liebe Menschen?

■ „Der rote Milan“, DFF, Mi., 21.45 Uhr

Der eine wollte die DDR retten, der andere den Sozialismus aufbauen, der dritte für alle das beste — „alles liebe Menschen“, sagt Bärbel Boley am Ende des Films von Hans Wintgen und Klaus Freymuth.

„Roter Milan“ — das war das Pseudonym, das der ehemalige Presse-Offizier des MfS Heinz Kilz, 55, sich gab, wenn er seine Bilder, die im Zirkel malender Tschekisten entstanden, signierte. Warum er, der Hobby-Ornithologe, sich lateinisch Milvus milvus nannte, erfahren wir in dem Film aus der DFF-Reihe Das Fenster. Warum er malte, warum er beim MfS arbeitete nicht. „Ich bin kein Verbrecher“, erklärt der gute Kilz zu Beginn und glaubt das auch. Die Rezensentin glaubt gar nichts und verfolgt eher pflichteifrig als neugierig das Rechtfertigungsgelaber des Ex-Lehrers, Ex-Stasis und derzeitigem Museumsberaters Kilz, aufgenommen im miefigen Behördenambiente in der Normannenstraße. Genauso dröge wie wir eine Besuchergruppe sich die Treppe hochschleppen sehen, schleppt sich auch die filmische Vergangenheitsaufarbeitung. Dreißig Minuten können sehr lange dauern. Da helfen dann auch die stilvollen Zwischentitel nix. Vor der Kamera immer wieder belanglose Arbeiten aus einer Repräsentationsmappe „40 Jahre MfS“ und dazu Kilz‘ unkommentiert gelassenen Oberlehrerbekenntnisse vom „ansprechenden, zeitgemäßen“, ja „ästhetischen“ Stasi-Kunstverständnis: auch ein Akt oder eine Landschaft könnten „kulturvoll“ sein, Kunst komme von Erleben und die Tschekisten wären eben allesamt „gute Beobachter“ gewesen. Aber das war wahrscheinlich die angekündigte ironische Betrachtungsweise, die „die einst Mächtigen in ihrer tatsächlichen (geistigen — d.Red.) Dimension“ zeigen wollte. Ja doch, auch er habe immer schon so eine „dumpfe Wut“ gehabt. Aber daß er damals, für DDR-Verhältnisse respektable 2.800 DM netto im Monat verdient hatte, findet Stasi-Listenplatz-Inhaber Kilz heute noch in Ordnung. Er war ja schließlich Tag und Nacht bereit für das Politbüro. Und in den Spiegel könne er noch jeden Tag kucken, bekennt Krawattenträger Kilz, er lebe schon immer nach den Goethe-Worten vom edlen, hilfreichen und guten Menschen.

Wintgen und Freymuth machten uns hier so ermüdend mit der Stasi- Psyche eines MfS-Offiziers bekannt. Sie wollten kein „Monster“ vorstellen, sondern einen „Menschen“, der auf seine Weise mit Vergangenheit und Gegenwart umgeht“. Es ist das Monster „Deutscher Bürokrat“, das die Rezensentin gesehen hat. Und wie Boley fragte sie sich am Ende des Films: Warum muß man sich der Problematik aus der Sicht der Täter nähern? Anne Strandt

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