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Bonn-Berlin: Streitbares Ringen um Konsens

■ Voscherau-Plan vom Tisch/ Abstimmung in einer Woche

Bonn (afp) — Eine Woche vor der Entscheidung des Bundestags über den künftigen Sitz von Parlament und Regierung ist noch immer keine Konsenslösung zwischen Bonn und Berlin in Sicht. Die Arbeitsgruppe von Vertretern der Parteien und Verfassungsorgane, die einen Kompromiß finden soll, traf sich gestern erneut ohne sich auf einen konkreten Vorschlag einigen zu können. Die Diskussion konzentriert sich weiter auf den Konsens-Vorschlag des CDU-Politikers Geißler, das Parlament nach Berlin zu verlegen und die Regierung am Rhein zu belassen. Das Modell von Bundesratspräsident Voscherau (SPD) werde nicht weiter verfolgt, sagte der Parlamentarischen Geschäftsführer der Unions- Fraktion, Bohl. Er sah vor, das Präsidialamt, den Bundesrat und das Auswärtige Amt nach Berlin zu verlegen, Parlament und Regierung jedoch am Rhein zu belassen. Eine solche Trennung der Regierung sei mit der Verfassung nicht zu vereinbaren, sagte Bohl. Doch auch Geißlers Vorschlag zur Trennung von Parlament und Regierung stößt auf große Bedenken. Die Arbeitsfähigkeit des Parlamentes müsse auf jeden Fall gewährleistet sein, betonten Poltiker. Die Anhänger Bonns befürchten bei einer Verlegung des Bundestages an die Spree einen „Rutschbahneffekt“, der die Regierung nachziehen könnte. Deshalb wurde auch darüber gesprochen, ob den Bonnern eine Garantie gegeben werden kann, daß die Regierung am Rhein bleibt. Bohl bewertete Geißlers Vorschlag als „das einzig noch denkbare Konsensmodell“. Trotz „Verhärtungen“ der verschiedenen Positionen zeigte er sich zuversichtlich, daß es zu einem Konsens kommt. Andere Teilnehmer der Runde sahen keinen Fortschritt. Der CDU-Verfassungsrechtler Rupert Scholz äußerte sich „deprimiert“ über den Verlauf des Treffens. Nach wie vor sei alles unklar. Frau Süssmuth betonte, nach dem derzeitigen Stand sei noch nicht mit einer „Kampfabstimmung“ zwischen Anhängern Berlins und Bonns im Bundestag zu rechnen. Bei dem Treffen der Verfassungsorgane zur Frage des Regierungs- und Parlamentssitzes am Montag in Bonn werde es mehrere Vorschläge geben, sagte sie. Bonn-Befürworter kündigten an, für eine Aufgabenteilung vor allem den Zeitfaktor stärker berücksichtigen zu wollen. Eine Verlegung des Parlamentes nach Berlin bedeute „das Ende des politischen Bonn“, unterstrich der FDP-Politiker Baum. Gestern abend berieten die Fraktionen von Union und SPD weiter.

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