: Asbest-Patente aus der DDR?
■ Der „große Deal“ der Grunau-Gruppe ist ein alter Asbestbetrieb
Günter E. Knochenhauer, „geschäftsführender Gesellschafter“ bei Grunau und stellvertretender Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Selbstständiger Unternehmer (ASU), schrieb im ASU-Verbandsblättchen über seine Firmengruppe: „Große Erwartungen setzen die Bremer auf einen weiteren Deal im Osten der Republik. Sie kauften sich mehrheitlich bei der CTA-Montagen GmbH ein, die die Treuhandanstalt aus dem ehemaligen VEB Tankanlagenbau Fürstenwalde herauslöste. Dieses Unternehmen mit 300 Mitarbeitern befaßt sich überwiegend mit der Installierung von Großanlagen in ganz Europa... Eine weitere Sparte der CTA stellt der Säurebau dar — mit der Herstellung von Spezialrohren und —behältern nach eigenen Patenten und Verfahren für die Industrie.“
Der Weser-Kurier schrieb diese Firmen-Selbstdarstellung am 13.10. unter eigener Verantwortung unter der Überschrift: „Die Grunau-Gruppe fühlt sich im Osten wohl“ teilweise sogar Wort für Wort ab. Nur da, wo Knochenhauer von „Deal“ redet, übersetzt der Weser-Kurier mit „Engagement“. Und da, wo Knochenhauer formulierte: “Es macht Spaß, kommentiert Grunau die neuen Herausforderungen...“ heißt es im Weser-Kurier: „Es macht Spaß, kommentiert Knochenhauer die neuen Herausforderungen...“
In Berlin-Altglienicke in der Rudower Straße 48/50 liegt der ehemalige Betriebsteil „Säuretechnik“. Ein Kindergarten an der einen Seite der Firma, kleine Wohnhäuschen und die Reste von einem Bauernhof auf der anderen. Ende des vergangenen Jahres wurde hier die Produktion weitgehend eingestellt. Was in der Bremer Unternehmerzeitung als „eigene Patente“ gefeiert wurde, kann sich nur auf eine pikante Eigenart der Fabrik beziehen: Bis zum bitteren Ende des Sozialismus wurden hier Säurebehälter für die sächsische Chemieindustrie aus Asbest und Phenolharzen gefertigt. Der Boden des Firmengeländes ist inzwischen mit einer Betonschicht regelrecht „versiegelt“.
In Bremen wäre für sowas die Berufsgenossenschaft Chemie zuständig. Deren technischer Aufsichtsbeamter, Herr Peter, zur taz: „Sowas hat es gegeben in grauer Vorzeit. Ich habe keinen Betrieb in meinem Bezirk, der in den letzten 20 Jahren noch sowas gemacht hat.“ Und „der wäre hier geschlossen worden“.
Nicht so im deutschen Arbeiterstaat. Herr Jablonski vom zuständigen Ostberliner Umweltamt ist schon im realen Sozialismus der „Giftbeauftragte des Stadtbezirks“ gewesen, damals mußte er sich um die giftigen Phenolharze kümmern: „Ich kenne die Anlage von früher.“ Wurde der Boden untersucht? „Nein.“ Die Luft? Dafür ist das Umweltamt nicht zuständig. Immerhin wurde in den letzten Jahren der Produktion die Raumluft abgesaugt und gefiltert, der asbesthaltige Filterstaub kam auf die Deponie.
Daß hier nach bundesdeutschen Gewerbeschutz-Maßnahmen noch einmal gearbeitet werden kann, dürfte ausgeschlossen sein. Offen ist zudem, ob Grunau wenigstens über die Immobilie einmal frei verfügen kann. Denn alle Grundstücksgeschäfte in den neuen Bundesländern stehen unter einem Vorbehalt „Rückgabe vor Entschädigung“. „Grundstücksgeschäfte sind genehmigungspflichtig“, sagt der für Industriegelände zuständige Herr Lorenz von der ARoV, „Amt zur Regelung offener Vermögensfragen“ des Senats von Berlin. Die paar Fälle, in denen bisher sein Amt eine Zustimmung erteilt hat, hat er im Kopf. Säuretechnik in der Rudower Straße 48-50 soll verkauft sein? „Das halte ich für ein Gerücht“, sagt Lorenz. Sein Amt hat die Eigentumsfrage jedenfalls nicht geklärt.
Die Treuhand hätte es klären müssen. Bei der Treuhand Frankfurt/Oder zuständig ist Dr. Krell. Für ihn hat CTA-Geschäftführer Zobel verhandelt. „Der Geschäftsführer muß sich erkundigen, ob alte Ansprüche vorliegen“, meinte Krell zur taz.
Ungeklärte Eigentumsverhältnisse blockieren überall in der Ex- DDR den Verkauf der volkseigenen Betriebe. Am kompliziertesten zu klären sind die jüdischen Ansprüche. Der „Werkmeister“ des Säuretechnik-Betriebes mußte in den ersten Jahren der Nazizeit jährlich zu den Eigentümern in die USA fahren, erinnert man sich in Alt-Glienicke.
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