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Am Ende blieb ein »Übungssender«

■ Rundfunkbeauftragter Mühlfenzl will 7.000 Mitarbeiter des DDR- Rundfunks zu Steuerberatern umschulen oder für den Privatfunk fit machen

Schöneberg. Nach dem drastischen Abbau von Personal und Programmteilen stellte der Rundfunkbeauftragte Rudolf Mühlfenzl (CSU) gestern im Schöneberger Rathaus die »soziale Abfederung« für den DDR- Rundfunk vor. Ihm zur Seite, präsentierte der Philip-Morris-PR- Mann Ferdi Breidbach das Programm zur »Umschulung, Weiterbildung, Arbeitsvermittlung« für die 7.000 Abzuwickelnden. Allerdings sind seit Mai dieses Jahres erst rund 20 Weiterbildungskurse entworfen worden. Sie sollen Anfang Juli beginnen und werden von der Bundesanstalt für Arbeit finanziert. Verwaltungspersonal soll zu Steuerberatern und Reisekaufleuten umgeschult werden. Die angeblich unerwünschten und »belasteten« Journalisten sollen zu PR-Beratern mutieren oder politisch-moralisch auf eine Arbeit bei Privatsendern vorbereitet werden. In sechs Monaten werden ihnen »fremdsprachliche Begriffe, Recherche, Rhetorik sowie Verständnis journalistischer Arbeit in der freien, pluralistischen Gesellschaft« vermittelt. Die Resonanz blieb mit 430 Voranmeldungen für das Kursprogramm bislang gering.

Der von den IG Medien vorgeschlagene Tarifvertrag über Qualifizierung wurde von Mühlfenzl grundsätzlich begrüßt; ebenso, wie die Idee des Intendanten Singelnstein, Ausbildung und Senden in einem »Übungssender« zu verbinden.

Bereits am Donnerstag hatte der Rundfunkbeirat beschlossen, daß Personal von Radio und Fernsehen bis zum 30.September von 7.000 auf 5.000 Beschäftigte zu reduzieren. Ursprünglich war vorgesehen, auf 3.500 »herunterzugehen«. Dennoch bringt dieser Schritt herbe Verluste bei der Programm-Grundversorgung. Im DFF werden das »Mittagsjournal«, die Kultur am Donnerstag, die Sportsendung »Panorama«, das Kinderprogramm, das Seniorenmagazin und das »Wissenschaftsjournal« eingestellt. Das Jugendmagazin »Elf 99« wird nur noch einmal wöchentlich ausgestrahlt. Nur noch »auf der Basis freischaffender Arbeit« sollen unter anderem das Umweltmagazin »Ozon«, »Klartext« sowie das Frauenmagazin »Ungeschminkt« hergestellt werden.

Im Berliner Rundfunk trifft es die »Außenpolitik«. Am härtesten kommt es für das Kulturradio DS- Kultur, dort wird das Personal von 150 auf 80 reduziert. Ein Personalumfang, mit dem sich kein Vollprogramm machen läßt. Jürgen Itzfeld, Direktor des Berliner Rundfunks, meint, daß »sinnvolles Arbeiten so kaum noch möglich« sei. Der von Mühlfenzl gefeuerte Vize-Intendant Hildebrandt sprach gegenüber der taz von einer »frühzeitigen Zertrümmerung der Rundfunkstrukturen«. Statt »organisch zu überführen« werde »phantasielos aufgelöst«. kotte/dpa

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