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Jelzin zu Tisch ins Weiße Haus geladen

■ Gorbatschow darf beim Reichen-Treff in London nicht mal am Katzentisch Platz nehmen/ Balanceakt des State Departments

Moskau (wps/taz) — Das offizielle Washington, im Umgang mit Boris Jelzin bislang eher spröde, hat auf dessen Wahl zum Präsidenten Rußlands prompt reagiert. Regierungssprecher Fitzwater: „Diese Wahl ist ein historischer Schritt für das russische Volk und die Sowjetunion.“ Sie wirke wie ein Signal, das das Engagement der sowjetischen Führung für ein pluralistisches, demokratisches System anzeige. Es habe sich erwiesen, daß die von Gorbatschow eingeleitete Reformpolitik weiterhin wirksam sei. Fitzwater gab anläßlich dieses Lobgesangs bekannt, daß Jelzin von Bush für den 20. Juni ins Weiße Haus eingeladen werde. Bei seinem Besuch im September 1989 hatte der russische Präsident noch mit Sicherheitsberater Scowcroft vorlieb nehmen müssen — Bush ließ sich entschuldigen. Man wollte damals nichts unternehmen, was das außenpolitische „standing“ Gorbatschows hätte schwächen können. Auch heute bemüht sich das State Department, den schwierigen Balanceakt zwischen Gorbatschow dem Zentristen und den vorwärts drängenden Demokraten durchzuhalten. „Wir können Gorbatschow nicht unterminieren, weil er unser Mann ist. Aber wir müssen einige der Eier, die wir ihm ins Körbchen gelegt haben, wieder herausnehmen und sie dem neuen Mann in den Präsentkorb tun“, so ein hoher Beamter des State Departments gegenüber dem US-Publizisten Gerstenzang. Entscheidungshilfe könnte sich die amerikanische Regierung bei Georgi Arbatow holen, dem langjährigen sowjetischen Amerika-Experten. Arbatow sagte vor der Carnegie-Friedensstiftung, es sei nicht ratsam, in das Antikrisenprogramm der gegenwärtigen sowjetischen Regierung Pawlow zu investieren, weder Dollars noch Rubel. Arbatow: „Wir brauchen ein Reform-Team, das zu Hause und im Ausland glaubwürdig ist. Viele Mitglieder unserer Regierung haben dieses Vertrauen unwiederbringbar verspielt.“ Reform-Team meint die Koalition zwischen Gorbatschow und den Demokraten, deren Umrisse sich seit dem 9+2-Abkommen vom April allmählich abzeichnen. Moskaus Oberbürgermeister Popow sieht jetzt günstige Voraussetzungen für die Festigung dieses Bündnisses und den raschen Abschluß eines neuen Unionsvertrages. Damit wäre der Weg frei für Kreditverhandlungen sowohl mit der Zentrale als auch mit den einzelnen Republiken.

Jelzins Einladung wird rund einen Monat vor dem Treffen Gorbatschow-Bush liegen. Beide Staatsleute werden aber auf dem G7-Gipfel der Superreichen zusammenkommen. Der sowjetische Präsident wird allerdings während der Konferenz nicht mal am Katzentisch sitzen dürfen, wie es die Europäer gewünscht hatten. Er darf erst nach Tisch erscheinen. Mit dieser Regelung haben sich die USA und vor allem die Japaner durchgesetzt. C.S.

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