piwik no script img

INTERVIEW„Darüber müßte ich erst einmal nachdenken“

■ Der Lehrer Thomas Hofmann ist der neue Direktor der Mahn- und Gedenkstätte Buchenwald in Weimar

Gut zwei Monate war die Stelle des Direktors der Mahn- und Gedenkstätte Buchenwald vakant. Ende vergangener Woche wurde sie besetzt. Nicht mit einem Historiker. Thomas Hofmann heißt der neue Gedenkstättenleiter. Der 38jährige Assessor in Germanistik und Geschichte, seit 1968 Mitglied der SPD, wechselt von seinem Halbtagsjob als Kulturreferent des Provinzstädtchens Lauterbach (14.000 Einwohner) nach Weimar.

taz: Eine überraschende Berufung. In Lauterbach waren Sie eher für das dörfliche Kulturleben, Gesangs-, Tanz- und Schützenvereine, zuständig. Im Vergleich dazu wird die Kulisse Ihres Wirkens jetzt größer. Sie wechseln in das Legitimationszentrum des ehemaligen Staates DDR. Fühlen Sie sich dem gewachsen?

Hofmann: Das ist sicherlich ein riesengroßer Unterschied, ob man in einer Kreisstadt kulturelle Einrichtungen aufräumt oder ob man an einen Ort geht, an dem etwas sehr Extremes in der Geschichte der Menscheit praktiziert wurde. Nur, in den alltäglichen Dingen, die dort zu regeln sind, gibt es offensichtlich viele Parallelen, Ich habe den Eindruck, daß man in Erfurt bei der Leitung kultureller Einrichtungen dies sehr wichtig fand.

Was prädestiniert den Lehrer Hofmann für diese Stelle?

Ich stamme aus einer Familie, die — das halte ich für ganz wichtig —, die im Dritten Reich nicht zu den Widerstandskämpfern gehörte, aber erkennbar dagegen war.

Was heißt erkennbar?

Da gibt's Unterlagen. Mein Großvater war Notar, und man kann mit Recht sagen, daß er am Rande des Konzentrationslagers vorbei marschierte. Ich sage das nicht, weil man in der dritten Generation Vorteile daraus schlagen müßte. Aber er wurde in der Zeitung 'Der Stürmer‘ beschimpft und hat eine wesentliche Rolle dabei gespielt, daß die 150 jüdischen Mitbürger seiner Kleinstadt sozusagen emigrieren konnten. Das sage ich nicht aus Angeberei heraus, es gibt auch Dokumente, die das belegen.

Kommen wir zurück auf Ihre Beweggründe, sich zu bewerben.

Ich denke, daß ich eine Biographie habe, die erlaubt, daß ich eine solche Tätigkeit übernehme.

Als Leiter der Gedenkstätte werden Sie involviert in politische Auseinandersetzungen. Weimarer Bürger und Politiker bestehen darauf, daß in der Gedenkstättenarbeit gleichgesetzt wird, daß Buchenwald erst ein nationalsozialistisches Konzentrationslager gewesen ist und nach 1945 ein sowjetisches Internierungslager. Ein Konflikt mit personellen Konsequenzen. Die langjährige Vizeleiterin Seidel wird wegen ihres — seinerzeit notwendigen — Parteibuches der SED angefeindet. Eine Differenzierung zwischen den Opfern eines stalinistischen Internierungslagers und den internierten Naziverbrechern scheint nicht möglich. Mit welchen konzeptionellen Vorgaben gehen Sie an die Arbeit?

Es gibt Konflikte um die alten Leute von früher und um die Frage der sowjetischen Internierungslager. Es gibt eine ganze Menge Überschneidungen und ich denke, da muß jemand hin, der sozusagen in einer vernüftigen Art und Weise mit den Leuten reden kann.

Das ist doch keine Frage der Personalführung!

Ich sage Ihnen gerne was über meine Person. Das Problem ist nur, ich muß erst mal am Ort sein. Also, der Freiherr von Stein, der sagte mal, „die Kenntnis des Ortes ist die Seele des Dienstes“. Ich werde mich auch nicht in ein Irredenta-Klima reintreiben lassen. Die Frage der Aufarbeitung des sowjetischen Internierungslagers ist meiner Ansicht nach vordringlich.

Wollen Sie mit Ihrer Arbeit den Charakter der Gedenkstätte verändern?

Ich habe mir dazu auch was überlegt, aber das möchte ich nicht sagen, nicht bevor ich mit dem Ministerium in Erfurt darüber geredet habe.

Welche Verbindungen hatten Sie vor Ihrer Bewerbung zu Buchenwald, Erfurt und Weimar?

Ich bin 1969 zum ersten Mal in Buchenwald gewesen. Und ich war im letzten Herbst bei einem Seminar des Kuratoriums Schloß Ettersberg dort und mit einem Volkshochschulkurs aus dem Vogelsberg. Als Historiker bin ich der Meinung, daß Buchenwald ein Zentralpunkt bei der Deutschen Identität ist. Da muß man sich drum kümmern, weil das ist ein Geschichtszeichen.

Haben Sie eine Erklärung dafür, daß Sie ihre Mitkandidaten ausgestochen haben. Die 51 anderen Bewerber und Bewerberinnen sollen ja teilweise sehr renommierte Persönlichkeiten als Historiker sein.

Ich weiß nicht wer das ist. In Buchenwald besteht nicht nur das Problem, einen hochkompetenten Historiker hinzusetzen, der sozusagen fachwissenschaftlich den Tatsachenverhalten nachgeht. Es geht auch in Buchenwald darum, wie man mit Geschichte öffentlich umgeht und wie man auch mit dem Antifaschismus-Mythos der DDR umgeht und solche Dinge. Und da brauchen sie einen mit Erfahrung im öffentlichen Umgang mit Geschichte, die nicht nur sozusagen wissenschaftliche Brillanz allein erfordert.

Was halten Sie von dem Vorschlag ehemaliger KZ- Häftlinge, Buchenwald unter Oberhoheit der Unesco zu stellen?

Also, das ist mir neu und darüber müßte ich erst einmal nachdenken. Das Problem bei der Sache Buchenwald ist, die DDR ist nicht nur nach Deutschland gekommen, sie ist auch nach Europa gekommen, und es gibt im europäischen Ausland ganz berechtigte Interessen, die irgendein Irredenta-Klima in Weimar sozusagen nicht zulassen. Und Köpfe-müssen-rollen und Rasenmäher-Geschichten nutzen uns da nichts.

Welche ist Ihre hervorragendste Charaktereigenschaft?

Ich halte mich für einigermaßen konsequent.

Politiker und Bürger fordern, daß nur „die absolut Lautersten“ in der Gedenkstätte arbeiten. Würden Sie sich als lauteren Menschen bezeichnen?

Das muß ich anderen überlassen.

Interview: Annette Rogalla

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen