: Bonn gegen Hannover: Neuer Atomstreit
■ Griefahn unterwarf sich der Bonner Weisung
Der Atomstreit zwischen der rot- grünen Landesregierung in Hannover und Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU) hat sich am vergangenen Samstag verschärft. Die niedersächsische Umweltministerin Monika Griefahn (parteilos) verweigerte trotz eines Ultimatums aus Bonn zunächst den Weitertransport eines Containers mit radioaktivem Atommüll aus Mol ins Zwischenlager Gorleben.
Der Container aus Mol steht wie auch zwei Behälter mit Atommüll aus der Anlage in Jülich seit Freitag nacht auf dem Gelände einer Polizeikaserne in Lüchow, 20 Kilometer vor Gorleben. Griefahn hatte am Donnerstag die bereits genehmigte Einlagerung in Gorleben wegen nicht eindeutig nachgewiesener Herkunft des Abfalls in einer Eilentscheidung untersagt.
Wegen der Blockade in Gorleben konnten bisher auch die beiden Container aus Jülich mit Atommüll aus dem Kraftwerk Stade nicht eingelagert werden. Wolfgang Ehmke forderte als Sprecher der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg am Samstag nicht nur den „unverzüglichen Rücktransport“ des einen Fasses nach Mol. Die Blockade richte sich „gegen jede Art von Atommüll“.
Nach Angaben des Umweltministeriums in Hannover dürfen Container dieser Art nur bis zu 48 Stunden außerhalb eines Atomlagers gelagert werden. Alle drei Fässer sollten deshalb nach Gorleben transportiert werden, wenn die Zufahrten nicht mehr blockiert seien. Allerdings könne das Faß aus Mol nur vorübergehend verwahrt werden. Eine Sprecherin bezeichnete den Vorgang als symptomatisch für den „Umgang mit Atommüll in der Bundesrepublik“. Wenn herkunftsbezogene Abfälle falsch deklariert würden, könne Töpfer nicht erwarten, daß in Niedersachsen solchen Anträgen auf Einlagerung stattgegeben würde, meinte die Sprecherin.
Nachdem ein Gespräch auf Abteilungsleiterebene am Samstag abend in Bonn kein Ergebnis gebracht hatte, lies Töpfer die Hannoveraner Ministerin anweisen, den Container aus Mol im Zwischenlager Gorleben einzulagern. Die rot-grüne Landesregierung will der Weisung folgen. Erst im April mußte sich Griefahn vom Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe bescheinigen lassen, daß solche Machtworte zu befolgen sind. Weil die Ministerin die Unterlagen für das geplante Atommüllager Schacht Konrad bei Salzgitter ohne Umweltverträglichkeitsprüfung nicht öffentlich auslegen wollte, griff Töpfer zum Atomgesetz. Die Karlsruher Richter bestätigten das Weisungsrecht — unabhängig von der inhaltlichen Richtigkeit.
Ob der Atommüll ins Zwischenlager nach Gorleben gelangen kann, liegt weiter in der Hand eines niedersächsischen Ministeriums. Die Polizei von Innenministers Gerhard Glogowski (SPD) muß zunächst die Zufahrten räumen, die seit Freitag von Atomkraftgegnern mit Treckern und Baumstämmen blockiert werden. Und das geht nach Einschätzung eines Polizeibeamten „auch nicht in einer Stunde“. Gerd Roth/doa
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