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Endlich: Bayerische Kicker in Bundesliga

■ Bayern Münchens schärfster Konkurrent, 1860 München, schaffte den Sprung in die Zweite Liga

München (taz) — Uralte Traktoren schleichen dieselschnaubend durch die Münchener Innenstadt. Auf ihren Anhängern, die mit blauer und weißer Farbe bepinselt sind, tanzen, grölen, lachen und saufen Menschen. Die meisten tragen Mützen und Schals — mitten im Sommer. Neben den Traktoren tummeln sich Tausende und schwenken Fahnen. Ein rotgesichtiges Schwergewicht drückt und herzt jeden, der ihm über den Weg läuft.

Zwischen Hornbrille und Doppelkinn preßt der Dicke immer wieder eine Zahl hervor: „Sechzig, Sechzig, Sechzig.“ Oberbürgermeister Georg Kronawitter schnattert vom Münchener Rathausbalkon herunter: „Hoch lebe König Karsten Wettberg!“ Sind die Münchener verrückt geworden?

Ach was, die Münchener feiern, ganz Bayen feiert — einen Fußballklub: Der TSV 1860 München hat am Sonntag den Sprung in die Zweite Liga geschafft mittels eines 2:1-Sieges über Borussia Neunkirchen.

Die Sechziger in der Aufstiegsrunde, das war für die Fans wie Achterbahn — Gefühl ab, Gefühl auf.

Zunächst aber schienen alle jene recht zu behalten, welche die Löwen für sympathische, aber ewig erfolglose Tolpatsche hielten. Nur 3:3 Punkte sackten sie anfangs ein, vom Aufstieg war 1860 so weit entfernt wie München von Wladiwostok. Dann gewannen sie in Pforzheim und — wichtiger — beim Favoriten Hessen Kassel. Ein kaum bekannter Kicker namens Stefan Hamberger erzielte dort das vorentscheidende 1:0. Von einem hessischen Radio-Reporter wurde Nobody Hamberger stets als „Hemburger“ ausgesprochen. Eine Beleidigung für einen, der als Bäcker und Konditor am Chiemsee seine Brötchen backt. Von seinen fußballerischen Fähgkeiten spricht der Torten-Architekt mit Bescheidenheit: „Nach neun Jahren Bayern- Liga muß so ein Hamperer (bayerisch für „Antikicker“) wie ich kommen, um 1860 nach oben zu schießen.“

Neun Jahre Bayernliga. In dieser Zeit wechselte der Traditionsklub sein Personal wie Otto Normalverbraucher seine Socken: 13 Trainer, 130 Spieler. Schließlich kam Karsten, ohne Helm und ohne Gurt, einfach nur Karsten. Seit Januar 1990 trainierte er die Löwen und machte sie unbezwingbar. Coach Karsten Wettberg und seine Sechziger blieben 54 Spiele ohne Niederlage. Am Ende stand der Sieg über Neunkirchen und — der Aufstieg.

30.000 bejubelten die Löwen im Grünwalder Stadion, das nach Ansicht der örtlichen Presse „in seinen Grundfesten erzitterte“. Millionen bangten vor dem Fernseher. Zwischen Hof und Berchtesgaden drückten sich die Fans die Daumen blau. „Am Sonntag sind alle Bayern Sechziger“, befahl Streibls Max, der apfelbackige Landesfürst. Doch am Sonntag reagierte ein anderer: „Dem Karsten“, brüllte ein tätowierter Löwen-Anhänger vom Traktor herab, „dem Karsten bauen wir ein Denkmal. Und zwar in Lebensgröße.“ Sehr witzig: Wettberg ist nicht einmal 1,60 Meter groß.

Deshalb sieht es auch lustig aus, als er nach dem Thriumph verkleidet zur Presskonferenz erscheint. Ein Löwen-Trikot haben ihm die Fans angezogen, einen blau-weißen Schal um den Hals geworfen und eine kurze Turnhose verpaßt (nicht die rechten Beinkleider für einen König).

Gerade noch war er von seinem Fußball-Volk getragen worden wie „Doors“-Sänger Jim Morrison in seinen besten Tagen. Und es flossen Freudentränen beim Trainer.

Kein Vergleich zu den Mengen des Gerstensaftes, der die Kehlen ölen sollte an diesem Tag, an dem die Löwen die Ketten des Amateurlagers sprengten. Karsten Wettberg: „Wer heute eine Sperrstunde kennt, der kennt das Leben nicht. So einen Moment gibt es nicht oft im Leben. Dreimal, viermal vielleicht, ich kann keine Zahl nennen.“ Wir können: Sechzig! Sechzig! Sechzig! Gerhard Sepp Fischer

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