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Ankurbeln, annähern, umschichten

■ Antenne2 und FR3, den Öffentlichen TV-Sendern in Frankreich, droht die Fusion

Paris (taz/epd) — Ein Sender kommt billiger als zwei. Das ist der Kern der einfachen Rechnung, mit der Hervé Bourges das öffentliche Fernsehen in Frankreich aus den roten Zahlen bringen will. Zehn Wochen nach seiner Ernennung zum Direktor von Antenne2 (A2) und FR3 legte er einen „Strategieplan“ vor, der die beiden Sender innerhalb von drei Jahren „ankurbeln, annähern und umschichten“ soll.

„Bis Ende 1994 werden Antenne2 und FR3 nicht nur einen gemeinsamen Sitz und eine gemeinsame Identität haben, sondern auch eine Programmpolitik und gemeinsame Leitungsstrukturen“, erklärte Bourges in einem Interview mit dem französischne Wochenmagazin 'Express‘. Dabei stellt er auch klar die Frage nach einer eventuellen Fusion. Mit seinen Maßnahmen will der Fernsehpräsident die Bedingung erfüllen, unter der ihn die Regierung ernannt hatte: Sparen. Antenne2 verzeichnete im vergangenen Jahr nämlich ein Defizit von 744 Millionen Francs (ca. 225 Mio. Mark), FR3 schloß mit 180 Millionen Francs Verlust ab.

Die Voraussetzungen für eine solche Entwicklung hatte vor zwei Jahren das Parlament geschaffen, als es — wenn auch widerstrebend — einem gemeinsamen Direktorenposten zustimmte. Zugleich beschworen die Abgeordneten damals Autonomie und Unverwechselbarkeit der beiden Sender. Gleiches tat nun auch Bourges, indem er den frommen Wunsch nachbetete, daß Antenne2 „ein populärer Qualitätssender“ und der Regionalsender FR3 ein Fernsehen „der Entdeckungen und des Unterschieds“ werden möge. Konkret erklärte er jedoch nur, wie er allein im kommenden Jahr insgesamt 430 Millionen Francs (1,4 Mio. Mark) sparen will. Da die größten Streichungen (280 Millionen) FR3 treffen sollen, befürchten die Angestellten, daß ihr Sender auf ein „skelettartiges Netz von Regionalbüros“ schrumpfen und nur noch als Lückenfüller für Antenne2 dienen wird.

Bourges will einen Koordinator ernennen, der die Politik des staatlichen Fernsehens definieren, das Netz der ausländischen Korrespondenten verbinden und die Bildung gemeinsamer Redaktionen in Paris vorantreiben soll. Ein weiterer Schritt der geplanten Annäherung: Die Sportredaktion sowie die Kinder- und Jugendredaktion werden bis spätestens Ende dieses Jahres zusammengelegt. Die Zusammenlegung hat gleichzeitig experimentellen Charakter, um Erfahrungen für die Verschmelzung weiterer Einheiten zu gewinnen. Die Finanzverwaltung wird zentralisiert. Geplant ist ferner eine gemeinsame Finanzierungsgesellschaft, die den Ankauf von Film- und Fernsehmaterial für beide Anstalten übernehmen soll. Natürlich wird auch die Verwaltung zusammengelegt und zur Krönung seiner Reform wünscht sich Bourges, daß A2 und FR3 in ein Gebäude ziehen. Wieviel Angestellte entlassen werden sollen, sagte er nicht. Erst in den Ferienmonaten Juli und August sollen Verwaltungs- und Betriebsräte informiert und ein Sozialplan vorgelegt werden.

Ein Problem der Finanzkrise des öffentlichen Fernsehens sind jedoch weniger die „kleinen“ Angestellten, sondern die teuren „Starjournalisten“. Unlängst enthüllte nämlich der französische Rechnungshof, daß prominente ModeratorInnen, die zur privaten Konkurrenz abwandern wollten, mit Fantasiegehältern zurückgewonnen wurden. Nach einem Bericht der obersten Finanzbehörde gibt es allein bei A2 neun solche Großverdiener, die jährlich bis zu 2,13 Millionen Francs verdienen — weit mehr als ihr Intendant.

Zum zweiten Teil seines Auftrags, nämlich der Stärkung des staatlichen Fernsehens gegenüber den privaten Anbietern, war von Bourges bislang nichts zu hören. „Wir müssen unsere eigenen Stars schaffen“, orakelte Bourges im 'Express‘, auch wenn das Zeit brauche. Zwei Tage nach der Veröffentlichung der Zukunftspläne reagierten die beiden Sender mit einem Warnstreik. Den könnte jedoch auch FR3 als Warnung verstanden haben: Während der Bildschirm des dritten Programms schwarz blieb, beschränkte sich die Solidarität der Kollegen von Antenne2 darauf, gerade mal die Mittagsnachrichten ausfallen zu lassen. Bettina Kaps

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