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Stresemann-Buch über Karajan

Wahrhaft »Ein seltsamer Mann...« , so hatte einst Bruno Walter den langjährigen Chefdirigenten der Berliner Philharmoniker, Herbert von Karajan, genannt. In seinem soeben in Berlin vorgestellten Buch, dem dieses Zitat den Titel gegeben hat, versucht Wolfgang Stresemann, als langjähriger Intendant des Berliner Philharmonischen Orchesters der »Mann hinter Karajan«, seine Erinnungen an den 1989 gestorbenen »Musik-Magier« niederzulegen. »Ich habe keine Biographie geschrieben und will mit diesem Buch auch nicht das ‘Rätsel Karajan‚ entschlüsseln«, sagte der 87jährige Sohn des früheren deutschen Reichskanzlers und Außenministers Gustav Stresemann.

Stresemann, promovierter Jurist, Komponist, Autor und Intendant, hatte wie wohl nur wenige andere über eine lange Zeit Karajan aus nächster Nähe erleben können. Zu ersten Begegnungen kam es bereits Ende der dreißiger Jahre in der damaligen Reichshauptstadt. Nach Stresemanns Emigration in die USA war es ein Karajan-Konzert in der New Yorker Carnegie-Hall 1955, das sie wieder zusammenführte.

Zwei Jahrzehnte bis 1978 übernahm Stresemann dann als Intendant der Berliner Philharmoniker eine Mittlerrolle zwischen dem eigenwilligen Maestro und seinem weltberühmten Orchester. 1984 mußte er nochmals auf Bitten des Berliner Senats im Streit zwischen Karajan und seinem Orchester für zwei Jahre als kommissarischer Intendant einspringen.

In seinem bei Ullstein erschienenen Buch berichtet Stresemann ausführlich über seine Zeit bei den Berliner Philharmonikern, unter anderem natürlich auch über den »Fall« der Soloklarinettistin Sabine Meyer, der das Männer-Orchester und seinen künstlerischen Leiter entzweite. Der Streit hätte beinahe zum frühzeitigen Bruch geführt, endgültig beigelegt wurde er wohl nie und habe vermutlich auch zum plötzlichen Rücktritt Karajans im Frühjahr 1989 wenige Monate vor seinem Tod geführt.

»Mein Buch ist keine Abrechnung mit Karajan, aber auch kein Lobgesang«, sagte Stresemann. Vielmehr widme er sich intensiv sowohl der musikalischen Seite als auch der interpretatorischen Arbeit Karajans und versuche ein realistisches Bild des »gewiß bedeutendsten Dirigenten dieses Jahrhunderts« wiederzugeben.

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