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Soft selling mit Herz

■ Ein erfolgreiches Geschäft von Frau zu Frau: "SieFinanz" berät in allen Geld(an)lagen

Ein erfolgreiches Geschäft von Frau zu Frau:

„SieFinanz“ berät in allen Geld(an)lagen.

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abriele M. ist nicht kreditwürdig. Die 38jährige Journalistin, verheiratet, ein Kind, ist als „Freie“ tätig. Ihr Monatseinkommen schwankt und macht jede Kreditanfrage zum Problem. Ohne eine Gehaltsbescheinigung ihres Ehemannes läuft bei den Banken in der Regel nichts.

Erika Sch., Krankenschwester, Mutter eines Kindes, lebt in Scheidung. Um Unterhaltsansprüchen zu entgehen, hat ihr Ex-Mann einen Offenbarungseid geleistet. Jetzt arbeitet Erika Sch. nur noch halbtags, um nicht noch etwa an ihn Unterhalt zahlen zu müssen. Von der Halbtagsstelle können sie und ihr Kind aber kaum leben. Deswegen sucht sie eine finanzielle Überbrückung, bis sie wieder ganztags arbeiten gehen kann. Sicherheiten aber kann sie keine vorweisen.

Zwei von zahlreichen Frauen mit Geldproblemen — für Brigitte Mertes die richtige Klientel. Vor vier Jahren eröffnete die 42jährige gelernte Bankerin in Bonn ein in Europa bis dato einmaliges Unternehmen: „SieFinanz“, ein Beratungsinstitut, in dem Frauen ausschließlich Frauen kostenlos rund ums Geld beraten — von der Anlage der ererbten Millionen bis zur Finanzierung der Einbauküche, von der Vermittlung der Lebens- bis zur Kfz-Versicherung „Lady's First“, bei der Frauen bis zu zwanzig Prozent billiger, weil eben besser fahren und weniger Unfälle bauen.

In sechzehn Jahren Berufspraxis, zuletzt als Bezirksdirektorin bei einer Bausparkasse, hatte Brigitte Mertes zu oft erlebt, daß Frauen in Geldgeschäften häufig immer noch nicht ernst genommen, über den Tisch gezogen oder darunter geredet werden. „Ein Mann hat vielfach in Beratungsgesprächen die Eigenheit, seine gesamte Fachkompetenz herauszuschleudern. Viele Damen trauen sich dann auch nicht nachzufragen“, resümiert sie die leidigen Erfahrungen vieler Kundinnen. Sie witterte eine Marktlücke, hängte ihren gutbezahlten Job bei der BHW an den Nagel und startete mit der „Schweizer Rück“ im Rücken die „SieFinanz“. Mit Erfolg.

Das meiste Vergnügen bereitete Brigitte Mertes ein Geschäft, bei dem eine vertrauensvolle Kundin schnell mal per Telefon 250.000 Mark aus einer Scheidungsabfindung anlegen ließ. Etliche etablierte Banken und Versicherungen standen inzwischen vor der Tür und wären gern in das aussichtsreiche Frauenbusineß mit eingestiegen. Ohne Erfolg.

„Frauen erwarten, daß sie von Frauen fairer beraten werden“, weiß die Chefin. Und die „Geldgespräche ohne Fachchinesisch, Manipulation oder plattes An-die-Wand- Reden“, das Soft selling mit Herz, macht sich bezahlt: Rund zweitausend Kundinnen kann das Unternehmen bisher verbuchen. 22 Mitarbeiterinnen— „nur Fachfrauen“ — bieten inzwischen nicht nur in Bonn, sondern auch in Köln, Düsseldorf, Frankfurt, Stuttgart, Berlin und anderen Städten ihre Dienste an.

Ein Schwerpunkt der „SieFinanz“ ist derzeit die private Altersrente. Mit Blick auf die Rentenreform 1992 und in Zusammenarbeit mit den lokalen Frauenbeauftragten informiert und berät sie, was frau tun kann, wenn sie im Alter nicht mit 600 oder weniger Mark Rente dastehen will.

Kein caritativer Verein, sondern ein cleveres Geschäft von Frau zu Frau. Ulrike Helwerth

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