: Das andere Management
■ Eine "eiserne Lady" muß frau nicht mehr unbedingt sein, um in Führungspositionen Erfolg zu haben. Doch sie einfach als "Fachfrau für Soziales" einzusetzen bedeutet letztlich nur wieder eine Instrumentalisierung...
Eine „eiserne Lady“ muß frau nicht mehr unbedingt sein, um in Führungspositionen Erfolg zu haben. Doch sie einfach als „Fachfrau für Soziales“ einzusetzen bedeutet letztlich nur wieder eine Instrumentalisierung weiblicher Führungsqualitäten.
Von MARTINA SCHOTT und
IRENE REIFENHÄUSER
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rauen managen nicht besser oder schlechter als ihre männlichen Kollegen, sie managen anders. Aufgrund geschlechtsspezifischer Sozialisation erwerben sie soziale Fähigkeiten, die bei Männern nicht oder nur selten gefördert werden. Frauen haben beispielsweise ein anderes Vermögen, Risiken einzuschätzen, als Männer, in der Regel tendieren sie mehr zur sicheren Seite. Das hat Vor- und Nachteile, man muß es nur richtig einzusetzen wissen, damit es sich positiv auswirkt. Frauen sind teamfähiger als Männer, sie sind eher in der Lage, Kompromisse zu schließen. Dadurch, daß an Frauen nicht so große Erwartungen in bezug auf ihre berufliche Karriere herangetragen werden, sind sie oftmals freier in ihren Entscheidungen, sie messen ihren persönlichen Erfolg nicht primär an Einkommen und Hierarchiestufen, sondern an Arbeitsklima und Sinngehalt ihrer Tätigkeit. Diese plakativ gehaltenen Sätze fassen pointiert einige Ergebnisse unserer Beratungserfahrung in reinen Frauenbetrieben zusammen.
Frauen, die heute Spitzenpositionen bekleiden, haben selten eine Organisationsstruktur und ein Betriebsklima vorgefunden, die ihnen erlaubten, ihre weiblichen Komponenten auszuleben. Erfolg wurde über Anpassung an traditionelle oder besser männliche Erwartungen erzielt. Sie mußten „eiserne Ladies“ werden, um akzeptiert zu werden, unabhängig von ihren persönlichen Bedürfnissen. Diese Anpassung fällt vielen, durchaus nicht allen Managerinnen schwer. Je nach individuellen Erfahrungen bringen Frauen auch „männliche“ Verhaltensweisen mit. Diejenigen jedoch, die sich in diese Situation immer wieder neu hineinversetzen müssen, sind einer starken und oft zu starken Belastung ausgesetzt.
Ausbildungsmäßig konkurrenzfähig, entscheiden sich viele Frauen gegen die Karriere in traditionell geführten Unternehmen, weil sie nicht die geeigneten Bedingungen vorfinden und nicht bereit sind, sich einem Managementstil anzupassen, der inzwischen als überholt gelten darf.
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as kann für Unternehmen in den 90er Jahren zu einer schweren Prüfung werden. Zum einen werden Führungskräfte immer schwerer zu finden sein, zum anderen kann das Festhalten an alten Führungsstilen zu massiven Problemen innerhalb des eigenen Hauses führen — mit allen einhergehenden Konsequenzen. Einige Großunternehmen haben das längst erkannt und entsprechend reagiert. In diesen Unternehmen wird aktiv Frauenförderung betrieben, wobei es noch offen ist, ob die Art und Weise, wie sie es machen, sinnvoll ist.
Haben Frauen die Möglichkeit, sich ihre Arbeitsbedingungen selbst zu schaffen, wie das zum Beispiel durch Selbständigmachen geschieht, dann stößt frau bei der Analyse der Betriebe auf interessante Ergebnisse.
Die Arbeitsatmosphäre in Frauenbetrieben ist durch wesentlich mehr Kollegialität geprägt, Kommunikation und Transparenz werden sehr hoch bewertet. Hierarchien existieren zwar, sind im allgemeinen aber sehr flach angelegt. Kriterium für Führungsansprüche ist oftmals Fach- und Sachkompetenz. Auf dieser Basis braucht dann auch nicht autoritär geführt zu werden, weil die Vorgesetzte als Mehrwissende akzeptiert wird. Es wird keine klare Trennung zwischen Berufs- und Privatwelt vollzogen, das heißt, private Probleme werden ebenso diskutiert und bei Entscheidungen berücksichtigt wie geschäftliche Belange.
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iese Art zu leben und zu arbeiten hat wie so vieles positive und negative Seiten. Beispielsweise blockieren sich Frauen, die untereinander Streit haben, bei ihrer Arbeit wesentlich mehr, als Männer das tun. Männer finden in der Arbeitswelt leichter eine rationale Ebene, die im Falle von Streitigkeiten sogar mal positiv ist.
Trotz dieser Relativierung ist es so, daß, wenn diese Grundbedingungen gegeben sind, Frauen sich an ihrem Arbeitsplatz wohler fühlen und sich besser einbringen können. Dadurch bleiben sie der Arbeitgeberin als treue Mitarbeiterin langfristig erhalten.
Neben der Schaffung einer familiengerechten Infrastruktur, die zum Beispiel Kinderbetreuung, Einkaufsservice und eine flexible Arbeitszeitregelung umfassen sollte, kann bei der Einrichtung von Arbeitsgruppen darauf geachtet werden, daß sie paritätisch besetzt sind. Erst wenn Frauen nicht permanent in der Minderzahl sind, können sie sich in ihrem Arbeitsbereich frei entfalten.
Vielleicht können ganz allgemein durch veränderte Arbeitsbedingungen Männer und Frauen darin unterstützt werden, mehr ihren individuellen Neigungen gemäß zu arbeiten und zu leben. Denn leider wird allzu oft außer acht gelassen, daß es auch Männer gibt, die über ein hohes Maß an sozialer Kompetenz verfügen, das sie nur nicht unter den gegenwärtigen Bedingungen einsetzen können. Was würde die Managerrunde von einem Kollegen halten, der seinen Gefühlen freien Lauf läßt oder Sitzungen grundsätzlich um 17 Uhr beendet, weil er seine Kinder vom Schülerhort abholt?
Ein erster pragmatischer Schritt in diese Richtung kann, wie bei IBM, darin liegen, daß die Mitarbeiter inzwischen begründen müssen, warum sie Überstunden machen. Die Öffnung hin zur weiblichen Seite des sozialen Agierens ist eine Chance für alle.
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s braucht also kein Ende der Eisernen Ladies geben, es kommt vielmehr eine neue attraktive Komponente hinzu, die Bestehendes ergänzt. Allerdings muß dieser Prozeß als etwas Sensibles begriffen werden. Es genügt nicht, einfach Frauen einzustellen und zu erwarten, daß sich dann alles von alleine ändert. Das hieße, Frauen zu instrumentalisieren und als Systemveränderinnen per se einzusetzen, so wie man McKinsey ins Unternehmen holt, damit Kostenbewußtsein entsteht, egal, was McKinsey inhaltlich erarbeitet. Frauen sind keine Fachfrauen für Soziales kraft Geschlechts, oder gar „Mütter der Kompanie“, die zusätzlich zu ihren Aufgaben auch noch das Betriebsklima verändern. Dieser Weg führt hundertprozentig in eine Sackgasse.
Partnerschaftlich und unter Berücksichtigung der Betroffenen einen Prozeß in Gang setzen, an dessen Ende eine Organisation steht, die den Menschen als Individuum sieht — das muß das Ziel sein. Dann kann auf punktuelle Frauenförderung verzichtet werden, die aus Frauen eine Minderheit macht, die real nicht existiert.
Die Autorinnen sind Unternehmensberaterinnen, die in der Hauptsache Frauenprojekte betreuen.
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