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Wenn in Hahn der Dollar-Hahn zugeht

In den Hunsrück-Dörfern rund um den US-Militärflugplatz Hahn, der demnächst teilgeräumt wird, macht sich Existenzangst breit: Wovon sollen die Zivilbeschäftigten, Vermieter und Geschäftsleute leben, wenn die Amerikaner abziehen?  ■ Aus Hahn Joachim Weidemann

Fast ein kleines Las Vegas, dieses Lautzenhausen! In dem Hunsrück- Dorf leben zwar nur 240 Einwohner, doch kommen auf sie mehr als ein Dutzend Kneipen, Bars und Fast- food-Buden, mindestens ebensoviele Autohändler, gut sechs Versicherungen für alle Fälle, eine Menge Videotheken, ein Reisebüro von „TUI“ und Lufthansa, gleich zwei konkurrierende Baptistenkirchen — und ein eigenes Kabarett ...

Money makes the world go round! Auch in Lautzenhausen. Dort hat sich diese Welt bis vor kurzem noch gedreht wie geschmiert. Dank der Dollars der amerikanischen Soldaten und ihrer Familien auf dem US- Flugplatz Hahn, an den Lautzenhausen grenzt. „240 bis 250 Millionen Mark“, rechnet Hahns Ortsbürgermeister Wolfgang Schmidt vor, hätten die US-Amerikaner jährlich eingebracht. Jetzt droht der Einbruch: Die Soldaten ziehen ab.

Was des Pazifisten Glück, ist des Hahners und Lautzenhauseners Katastrophe: Die Amerikaner werden bis zum 31. September zwei Drittel des Flugplatzes räumen. Die 72 Militärflugzeuge werden bis dahin aus Hahn verschwinden, ein Teil wurde bereits nach Ramstein verlegt. Die Zahl von etwa 8.000 ehemaligen Besatzern schrumpft dann auf 1.200. Und selbst die sollen „bis 1993/94“ abziehen, hat Lautzenhausens Ortbürgermeister Wolfgang Jakobi läuten hören. Sein Kollege Schmidt in Hahn aber ist sich da nicht so sicher: „Bislang ist nur vom Teilabzug die Rede.“

In der Tat, die US-Militärs machen's spannend. Gemäß der bewährten Salamitaktik lassen sie nur hie und da neue Details durchsickern. Doch das sorgt für Verwirrung und Verdruß. Im Hunsrück ebenso, wie bei der Mainzer Landesregierung, deren neuer Chef, Rudolf Scharping (SPD), sich gegen diese Desinformation schärfer zur Wehr setzen will. Schärfer zumindest als sein Vorgänger Carl-Ludwig Wagner (CDU), der immer erst bellte, wenn er bereits gebissen war.

Die Region um Hahn ist dreifach vom US-Abzug betroffen. Da sind, erstens, die Zivilbeschäftigten. Auf Hahn gab's derer bisher 704. Bis September werden's nur noch 237 sein. 467 müssen gehen. In Lautzenhausen etwa werden annähernd dreißig „Zivile“ geschaßt. Absolut gesehen eine Bagatelle. Relativ betrachtet jedoch macht das fast vierzig Prozent der Erwerbstätigen aus. In anderen Dörfern ist es ähnlich. Die Jungen wandern ab. Als Fachhandwerker, meint Jakobi, „finden die sicher eine Stelle, nur halt nicht mehr vor der eigenen Haustür“. Aber was wird aus den Alten? Werden sie arbeitslos? Und das Schlimmste dabei: Die deutschen „Zivilen“ bei den US- Truppen stehen ohne Tarifvertrag und Sozialplan da. Ihnen ergehe es, so ein ÖTV-Sprecher in Mainz, noch „schlechter als ihren Kollegen bei der Roten Armee in der Ex-DDR“.

Schlecht geht es, zweitens, den Häuslebauern und Vermietern in und um Hahn. Die Einliegerwohnungen in den Neubauten, ursprünglich für Amerikaner gedacht, stehen leer. Damit fehlt auch die Miete, mit der die Hypotheken aufs Haus abgezahlt werden sollte. Was bleibt, ist ein Schuldenberg.

Schwierig wird sich auch die Zukunft der US-eigenen Siedlungen. In Sohren, nur wenig von Hahn entfernt, stampfen die Streitkräfte trotz Truppenabzugs noch ein neues „family housing“ aus dem Boden: 287 Wohnungen in Fertighäusern. Fünfzig sind bezogen, der Rest steht trostlos herum. Die beauftragte saarländische Baufirma habe Pleite gemacht, sagt Sohrens Bürgermeister Heinz Michel. Zuvor aber hatte sie, wie man hört, noch Zuschüsse des Landes eingesäckelt. Jetzt wird neu ausgeschrieben. Und Michel ist sich sicher: „Die Amerikaner werden diese Wohnungen beziehen.“ Zwar sagt Michel, er glaube nicht an einen Totalabzug. Dennoch weiß er: „Hier haben seit dem Krieg 2.000 Sohrener mit 1.500 Amerikanern zusammengelebt. Wenn die weg sind, dann werden wir das zu spüren bekommen.“ Aber er findet: „Wer jahrelang dafür demonstriert hat, Frieden mit immer weniger Waffen zu schaffen, der muß sich auch der Folgen bewußt sein.“

Das Problem „Truppenabzug“ wird, drittens, auch für die Gewerbetreibenden in und um Hahn zur Existenzfrage: „To be, or not to be?“ Auch der Wirtin vom „Picnic Grill Corner“ schwant Übles: „Von den Wirtschaften werden die meisten wohl dichtmachen müssen ... Ich vielleicht auch.“ Schon seit Januar, seit dem Golfkrieg, habe der US-Besuch stark abgenommen. Und nicht nur im „Picnic Grill Corner“. Auch in den anderen Kneipen und Bars, im „New York“ etwa oder im „Manhattan“. Und bei ihrem Friseur hat Frau Wirtin dasselbe gehört. „Es wird düster!“ sagt sie und blickt betrübt. Einer ihrer Stammgäste, ein Motorradfahrer, fühlt ihr nach. Eigentlich sei das mit den Amis gar nicht so schlecht gewesen, trauert er. Gewiß, da „gab's mal 'ne Schlägerei um ein Mädchen“. Aber wer sich an einem Wochenende noch verkloppte, der soff sich am nächsten Samstag schon mit seinem Nebenbuhler die Hucke voll. Bleibt aber noch der Lärm der Militärmaschinen? „Na ja, an den gewöhnt man sich“, sagt er. „Von wegen“, wirft die Frau neben ihm ein, eine korpulente Blondine. Sie erinnere sich, sagt sie, noch ganz genau, wie ihr alter Nachbar sich einmal „flach uff de Bodde“ geworfen habe, weil eine Maschine im Tiefflug über ihn dröhnte.

Tiefflug hin, trübe Aussichten her: Die Lautzenhausener bleiben freundlich. Aber selbst das auf amerikanisch. Als ein deutscher Fremdling auf der Straße eine Lautzenburger Oma mit Enkelchen trifft, grüßt er sie korrekt: „'n Tach“. Lacht die Oma prompt zurück: „Ah! Hello!“

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