Hauptstadtaufschlag im Berliner Nahverkehr

■ Weil Berlin Regierungssitz wird, steigen die Preise im öffentlichen Nahverkehr bald rapide an/ Weiterbildungsangebote im Dienstleistungssektor

Berlin. Alles wird jetzt teurer — der käufliche Sex auch. Weil Berlin Regierungssitz wird, werden sich die Preise im horizontalen Gewerbe mindestens verdoppeln. Davon sind viele Prostituierte der Stadt überzeugt. Katja, die in Neukölln anschaffen geht, freut sich schon jetzt auf die Abgeordneten und Staatsbeamten. Die junge Frau hat die Kundschaft aus gehobenen Kreisen während ihrer Tätigkeit in einem Edelklub im Bonner Raum schätzen gelernt, und das keineswegs nur wegen der prallgefüllten Brieftasche. »Die Arbeit wird abwechslungsreicher werden, weil die Herren viel mehr Sonderwünsche haben und nicht so phantasielos sind wie die Berliner«, verriet sie gestern der taz. »Hier«, so Katja, »wollen die Männer alle nur das eine: französisch und stinknormalen Verkehr.« In Bonn, verrät sie weiter, würden »viel mehr Perversionen wie Schlagen und Fesseln verlangt«.

In Bonn hat gute Arbeit ihren Preis. Französisch und normaler Verkehr seien dort nicht unter 150 Mark, in Berlin hingegen schon ab 50 Mark zu haben, berichtet die Prostituierte. Auch Schlagen und Fesseln koste in Bonn zwei bis dreimal soviel wie in Berlin, wo manche Dominas schon für 150 Mark zur Peitsche griffen. Daß die betuchten Parlamentarier und Beamten scharenweise in die Berliner Salons einfallen werden, glaubt Katja allerdings nicht. »Die Herren brauchen eine Anlaufadresse, die Sauberkeit und Diskretion gewährleistet. In die Billigläden«, meint Katja, »gehen die nie!«

Auch Anna aus Moabit glaubt, daß der Umzug der Krawattenmänner nicht »schädlich fürs Geschäft ist«. Das große Geld verspricht sie sich davon jedoch nicht: »Gebumst wird immer, mal ein bißchen mehr, mal ein bißchen weniger.« Die Erwartung, daß Politpromis demnächst bei ihr vorbeikommen hat Anna ohnehin nicht, weil die nur »ganz bestimmte Bordelle« aufsuchen würden. Isabell aus Steglitz plagt die Sorge, daß in Berlin doch noch ein Sperrbezirk für Prostituierte eingeführt wird, wenn die Stadt Regierungssitz ist, »weil die Hauptstadt clean sein muß«. Außerdem hat sie Angst davor, daß die Gewerbemieten für die »Modell-Wohnungen« ins Unermeßliche steigen werden. Schon jetzt, stöhnt Isabell, seien die Mieten mit Preisen von 3.500 DM für vier Zimmer beinahe unbezahlbar. Die Prostituierten-Selbsthilfeorganisationen »Nutten und Nüttchen« und »Hydra« begrüßten die Entscheidung des Bundestags gestern aufs schärfste. Weil »Männer in Top-Positionen so auf Dominas stehen«, kündigte Nutten und Nüttchen sogleich Fortbildungsveranstaltungen und Workshops für Prostituierte an, die Dominas werden wollen. Auch Hydra freut sich auf die Parlamentarier: »Wir hoffen, daß wir dann mit ihnen über unsere geplante Bordell GmbH und unsere Forderung nach besseren Arbeitsbedingungen und der Beseitung der rechtlichen Diskrimierung an unseren Arbeitsstellen persönlich diskutieren können.« Das, was sie bisher auf der legislativen Ebene nicht erreicht hätten, so eine Hydra-Sprecherin gegenüber der taz, »hoffen wir dann auf horizontaler Ebene durchzusetzen!« plu