: TV lockte den Bären
■ In Berlin feierten Tausende den neuen Regierungssitz Viele Einheimische reagierten aber auch zurückhaltend
Tausende Schwaben, Bayern, Ostfriesen, Rheinländer, Ruhrpottler, Sachsen, Thüringer, Hessen, Holsteiner, Hamburger, Mecklenburger, Saarländer, Pfälzer sowie nicht wenige Amerikaner, Asiaten und Europäer haben am Donnerstag abend auf dem Kurfüstendamm nach der Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses eine große Party gefeiert. Wie Augenzeugen mitteilten, hätten auch einige wenige Berliner an der Feier teilgenommen. „En dollet Ding, dat mir jewonnen han!“ jubilierte ein Kölner vor dem Café Kranzler, der innerhalb weniger Stunden vom Bonn- Fan zum Berlin-Befürworter mutiert war. „Nun müssen die Bonner aus ihren bequemen Sesseln heraus“, freuen sich zwei Studenten.
Die meisten eingeborenen oder gelernten BerlinerInnen nahmen die Entscheidung eher mit Zurückhaltung auf. Zwar knallten in der City die Sektkorken, wurden zum wiederholten Male Deutschlandfahnen vor den Kameras geschwenkt, laute Hupkonzerte abgehalten und Feuerwerkskörper entzündet — mit Jubelfesten, wie sie beim Fall der Mauer oder bei der Öffnung des Brandenburger Tores stattgefunden hatten, war die Party aber nicht vergleichbar. Und wenn die KorrespondentInnen der verschiednenen Fernsehanstalten am Abend nach der Entscheidung nicht mehrmals darauf hingewiesen hätten, daß auf dem Ku'damm gleich „der Bär tanze“, wäre der Bär möglicherweise gar nicht gekommen, sondern zu Hause geblieben.
Am Ostberliner Alexanderplatz ist die Stimmung nüchterner als im Westen der Stadt. Der Küchenmeister Dieter Huntschke urteilt: „Das war eine weitsichtige Entscheidung. Sie war als Schlußpunkt für die Wiedervereinigung nötig.“ Gemischte Gefühle hat Irmgard Klick. So richtige Freude will bei ihr nicht aufkommen. Es ist ihr unverständlich, daß die wochenlange Diskussion überhaupt nötig war. Auch die Rentnerin Ursula Sirigk ist eher pessimistisch. „Jetzt wird doch alles teurer“, klagt sie. taz/dpa
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen