Windhunde sind Individualisten

■ Viel Hetzerei um den Großen Preis von Bremen auf der Rennbahn in Dreye

Als nach der Mittagpause die Stimme der Rennleitung über Megaphon ertönt, werden die Profis in Zwingern und Kofferraum-Boxen unruhig. Sie wissen, daß es jetzt weitergeht. Jetzt wird Frauchen endlich die Startnummer abholen. Den ganzen Vormittag haben die Windhunde sich in den unterschiedlichen Rassen und Klassen (Hündinnen und Rüden starten in der Regel getrennt, und auch die Senioren rennen unter sich) bis zum Finale vorgekämpft. Jetzt geht es um den großen Preis von Bremen. Dabei ist alles nur Ehrensache: Oft sind die Pokale noch nicht einmal das Startgeld (DM 25.-zum Unterhalt der Rennbahnen) wert.

Zunächst darf „Jazz-Musik vom Märchenland“, eine Greyhound-Hündin mit 70 Stundenkilometern Spitzenleistung, in einem Schaulauf zeigen, was in ihr steckt. Dann endlich, endlich dürfen die Whippets an den Start: Die kleinen, kurzhaarigen Windhunde aus England, die ursprünglich von britischen Bergarbeitern

Manche Hunde sind zu schlau fürs Rennen. Die warten eine Runde an der Box, bis der rasende Stoffetzen wiederkommt.

zum Wildern gezüchtet wurden, eine Mischung aus Greyhound und Terriern.

Whippets sind, wie die anderen Windhunde (die Afghanen, Barsois, Salukis und Windspiele), reine Sichtjäger: Sie rennen hinter allem her, was sich bewegt. Verschwindet es in den Büschen, verliert sich ihr Hetztrieb ins Leere. Windhunde verlassen sich auf ihren Gesichtssinn, und nicht etwa auf Spürnase wie die Schäferhunde.

Auf der Rennbahn in Bremen- Dreye hetzen sie hinter Fellfetzen her, die über den Parcours gezogen werden. Renn-Profis sind auch schon einmal ohne Lockmittel so „normal“ um die Wette gerannt, daß die Schiedsrichter gar nicht merkten, daß der symbolische Hase fehlte, erzählt Vereinssprecher Jan Scotland vom Bremer Windhund-Renn-Club von einem früheren Rennen. Manche Hunde seien auch „zu intelligent“ für's Rennen: Sie kennen den Ablauf und warten gleich hinter der Start-Box darauf, daß der Lockfetzen an sein Ziel zurückkommt.

„Windhunde sind Individualisten“, betont Scotland. Manche hätten auch keine Lust zu rennen und bleiben einfach stehen. Dann würden sie natürlich genau so disqualifiziert wie Hunde, die ihre Gegner im Rennen von der Seite Angreifen (folgenlos versteht sich, denn sie bekommen Maulkörbe verpaßt).

hierhin bitte

das Foto von der

Frau mit Hund

im Arm

Herrin und Hund in Dreye. Entdecken Sie die Ähnlichkeit? Foto: Tristan Vankann

In den knapp 24 Sekunden, die so ein Windhund für die 350 Meter- Strecke braucht, stehen Herrchen und Frauchen meist fiebernd am Ziel. Wenn dann am Ende sich die gesamte Rennmannschaft siegessicher in den Lockfetzen verbeißt, wenn die Rennzeiten und Sieger bekanntgegeben werden, dann greifen sich die Besitzer ihre Hunde lobend aus der Meute.

„Rondo vom Haus Sonnenschein“ z.B. hatte gestern sein allererstes Rennen. Während die alte Frau Grüßen ihren Vierbei

ner vor Aufregung kaum in die Startbox bekommen konnte und beinah das Rennen verpaßte, lief Rondo ohne Faxen mittenmang — als ob er nie etwas anderes täte.

Pech hatte dagegen der eigens aus den Niederlanden angereiste Herr Bolt mit seinem „Maffiozo“, der sich so sehr in den Lockhasen verbiß, daß Bolt dem Hund mit hochrotem Kopf ins Ohr beißt, um ihn zum Loslassen zu bewegen: Vergebens. Erst ein Messer trennt Jäger und Beute. ra