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Keine tiefen Stimmen mehr...

■ Deutsche Schwimm-Meisterschaften in Hamburg: Junge Talente und unantastbare Rekorde

Hamburg (taz) — Der alte Revoluzzer-Schwung ist dahin. Widerspruchslos hat sich Michael Groß mit der Goldenen Ehrennadel des Deutschen Schwimm-Verbandes (DSV) dekorieren lassen. Ein Jahrzehnt lang hat er die Sportöffentlichkeit trefflich unterhalten, mit famosen Schmetterlings- und Freistilrennen einerseits, mit seiner Sicht der Welt andererseits. Nun unterhält er als Kolumnist die 'Bild‘-Leser, derweil sich die nachgewachsene Schwimmgeneration bei den Deutschen Meisterschaften in Hamburg darum bemühte, in seine Fußstapfen zu treten.

Das sportliche Zeug dazu hätte der Potsdamer Doppelweltmeister Jörg Hoffmann. Zum Leidwesen der Journalisten ist der 21jährige schüchtern und abweisend bis zur Verstocktheit. Fünfzehnmal das Schwimmbecken in einem Tempo rauf- und runterzukraulen wie kein anderer auf der Welt, qualifiziert heute allein nicht mehr zum Star. Andere, wie der smarte Neu-Hamburger Nils Rudolph, haben mit weniger eindrucksvollen Leistungen längst einen Sponsor, Hoffmann hält sich als Bundeswehrsoldat finanziell über Wasser.

Trainer haben 1991 in ihrem Jargon zum „Zwischenjahr“ erklärt, in dem die etablierten Stars weniger trainieren und mehr studieren, in dem aus Titelkämpfen Talentwettbewerbe werden. Doch durfte erleichtert registriert werden, daß sich sportliche Visionen an Namen festmachen lassen. Ewa an dem 18jährigen Lars Kalenka aus der Nähe von Heidelberg, der die 200 Meter Rücken in deutscher Jahresbestzeit (2:00,76 Minuten) absolvierte und selbstbewußt verkündete, bei der EM Ende August in Athen die Zwei- Minuten-Schallmauer durchbrechen zu wollen. Etwa auch an dem Essener Christian Keller, der über 200 Meter Lagen reüssierte und auch rhetorisch Michael Groß auf den Fersen ist. Etwa an der Berlinerin Franziska van Almsick, die für ihre 13 Jahre sensationelle 2:01,57 Minuten über 200 Meter Freistil schwamm. An der Europameisterschaft darf die Berliner Göre ihres zarten Alters wegen noch nicht teilnehmen.

In sieben der 13 olympischen Frauen-Disziplinen halten ostdeutsche Schwimmerinnen noch immer die Weltrekorde, in vier weiteren immerhin die Europarekorde. Mit der früheren Ost-Berlinerin Heike Friedrich, die inzwischen in Bayreuth trainiert, und der Magdeburgerin Anke Möhring sind nur noch zwei dieser Rekordhalterinnen an den Start gegangen. Zu gewinnen gab es für sie auf ihren Rekordstrecken über 200 Meter Freistil (Heike Friedrich) beziehungsweise 400 und 800 Meter Freistil (Anke Möhring) allerdings nichts mehr.

Daß Anke Möhring über die 800 Meter erneut weit über ihrer Bestzeit blieb und im Finale lediglich fünfte wurde, stempelt sie erstens zur tragischen Figur der Meisterschaften und liefert zweitens wieder ein Indiz für die von vielen gehegte Annahme, daß die früheren Rekordmarken mit eifrigem Training allein nicht zu erreichen sind. Nach dem „Pillenknick“ könnten manche dieser Rekorde, von denen der älteste ohnehin schon seit neun Jahren unangetastet ist, für die Ewigkeit gemacht sein. Das sollte die jungen Meisterinnen von 1991 nicht zu sehr kratzen. Sie haben wenigstens nicht so tiefe Stimmen... Olaf Krohn

Frauen: 100 m Brust: Sylvia Gerasch 1:10,61 Min.; 50 m Schmetterling: Annette Hadding 28,50 Sek.; 200 m Freistil: Kerstin Kielgaß 2:00,70 Min.; 100 m Rücken: Dagmar Hase 1:02,77 Min.; 200 m Rücken: Dagmar Hase 2:13,23 Min.; 800 m Freistil: Jana Henke 8:35,48 Min.; Männer: 50 m Rücken: Dirk Richter 26,41 Sek.; 400 m Freistil: Jörg Hoffmann 3:50,56 Min.; 100 m Feistil: Silko Günzel 50,13 Sek.; 200 m Rücken: Lars Kalenka 2:00,76 Min.

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