Zorn und Panik auf den Philippinen

Der Ausbruch des Pinatubo hat die Verhandlungen um Verlängerung der US-Basen neu bestimmt  ■ Aus Manila Stephen Vines

Mit großen Augen saßen die geflohenen Bewohner der Stadt Angeles vor dem Fernseher im überfüllten Auffangzentrum und sahen zu, als ihre ehemaligen Nachbarn des US-Luftwaffenstützpunkts Clark in die Vereinigten Staaten geflogen wurden. Auf dem flimmernden Bildschirm die Angehörigen der US-Soldaten, wie sie vollbepackt mit ihren Besitztümern die Flugzeuge verließen.

Wie die Amerikaner hatten auch die Leute von Angeles im Schatten des Pinatubo gelebt. Doch sie waren nicht wohlorganisiert evakuiert worden, als der Vulkan unter dem Pinatubo zu rumoren begann, und sie besaßen kaum etwas, was sie hätten mitnehmen können. Sie flohen in Panik, als die Wut des Vulkans auf dem Höhepunkt war.

Die Haß-Liebe-Beziehung zwischen der Bevölkerung der Philippinen und und ihren ehemaligen Kolonialherren ist durch diesen vulkanischen Ausbruch wieder verschärft ins Blickfeld geraten. Wie immer werden die Konsequenzen wahrscheinlich am deutlichsten in den Entscheidungen über die Zukunft der US-Basen auf den Philippinen zu spüren sein. Die Stützpunkte sind ein Angelpunkt dieser Beziehung, das letzte verbleibende Memento der Kolonialherrschaft.

Daß sich die Amerikaner vorrangig für ihre eigenen Leute interessieren und daß der Ausbruch des Vulkans gezeigt habe, „daß wir auf ihrer Prioritätenliste weiter unten stehen“, sagt Alan Ortiz, Assistant Secretary des Nationalen Sicherheitsrates der Präsidentin, „das ist traurig, aber es ist die Realität“. Darüber hinaus glaubten viele Philippinos auch, daß die amerikanischen Militäreinrichtungen Atomwaffen bargen, von denen noch schlimmere Zerstörungen drohten. So kursierte ein Bericht, nachdem diese Waffen aufgrund eines Unfalls umgelagert werden mußten. Sobald dieser Bericht auftauchte, sah sich die amerikanische Botschaft einer Flut von Anfragen gegenüber, die Auskunft darüber forderten, ob es irgendwelche Atomwaffen auf den Philippinen gäbe. Wie stets wollte die Botschaft die Präsenz von Atomwaffen weder bestätigen noch dementieren. Mit aller Entschiedenheit jedoch wies sie die Behauptung zurück, es habe einen Atomwaffenunfall gegeben.

Stanley Schrager, vielleicht der überarbeitetste Sprecher einer US- Botschaft, gab zu, daß er die „Kein Kommentar“-Politik frustrierend fand, betonte aber, daß dies eine „weltweite Politik zur Verwirrung des Feindes“ sei. Im „extrem unwahrscheinlichen Fall“ des Entweichens von Radioaktivität jedoch müßten „wir der Regierung des Landes Mitteilung machen“.

Vielen Leuten auf den Philippinen reicht diese Versicherung keineswegs. Der langjährige Anti-Basen- Aktivist, Senator Wigberto Tanada, ist überzeugt, daß die USA Atomwaffen auf den Philippinen haben. Zur Unterstützung dieser Behauptung legt er die Kopie einer handschriftlichen Notiz vor, die noch von Ex-Präsident Marcos am 26. Februar 1975 verfaßt zu sein scheint. Darin heißt es: „(US-)Botschafter Sullivan hat mir gegenüber wieder enthüllt, daß es Atomwaffen auf den Stützpunkten gibt — aber es sind kleine, die mit Flugzeugen transportiert werden.“ Senatorin Leticia Ramos-Shahini, die Schwester des Verteidigungsministers Fidel Ramos, fordert den Senat auf, die Beschaffung von Aufspürgeräten für Atomwaffen zu beschließen. Das Land brauche diese Geräte, sagt sie, um zu vermeiden, daß es „Gefangener der US-Politik des Weder-Bestätigens- noch-Dementierens“ sei. Die philippinische Verfassung erklärt das Land zur atomfreien Zone, doch wie vieles in den Philippinen wird auch die Verfassung nicht zu ernsthaft behandelt und läßt Schlupflöcher zu.

Die Atomfurcht mag wohl vorübergehen, aber die Diskussionen über die Zukunft der Basen werden wohl wieder einmal ins Stocken geraten. Es ist zwar noch nicht öffentlich erklärt worden, doch die Nähe zum Vulkan wird wohl fast sicher bedeuten, daß Clark endgültig geschlossen wird. Dazu mag US-Sprecher Schrager nicht mehr sagen als: „Pinatubo hat eindeutig eine Wirkung auf die Verhandlungen.“ Aus Kreisen, die den Verhandlungspartnern nahestehen, verlautet, daß am 18. März im Büro der philippinischen Präsidentin ein Durchbruch in den Verhandlungen erreicht worden sei. Damals sei ein Vertragsentwurf festgeklopft worden, der eine Verlängerung der Basen um sieben Jahre plus ein weiteres Jahr für den Abzug vorsah. Die Amerikaner hätten sich bereit erklärt, ihr finanzielles Kompensationspaket so zu frisieren, daß es so aussehen sollte, als ob sie den philippinischen Forderungen nach jährlich 825 Millionen US-Dollar nachgegeben hätten. Tatsächlich hätten sie an ihrem Angebot von 360 Millionen US-Dollar festgehalten und ein breites Spektrum anderer finanzieller Zuwendungen zu dieser Summe geschlagen, die dann etwa den Zielvorstellungen Manilas entsprechen sollte.

Verzweifelte Lage

Manila (dpa) — Am Sonntag drohte ein neuer Ausbruch des Pinatubo. Die Lage der Hunderttausenden von Flüchtlingen sei verzweifelt, sagte Verteidigungsminister Ramos, Hilfsgüter und Lebensmittel kommen nicht rechtzeitig.