: Bald 40 Prozent Arbeitslose im Osten?
Offenbach (dpa/afp) — Die Arbeitslosenquote in den neuen Bundesländern wird nach Ansicht der Berliner Treuhand im zweiten Halbjahr 1991 — Kurzarbeiter eingerechnet — um 40 Prozent pendeln. Diese Einschätzung äußerte Treuhand- Personalvorstand Alexander Koch in einem Interview mit der 'Offenbach- Post‘. Nach Ansicht Kochs wird sich die wirtschaftliche Lage zunächst weiter zuspitzen. „Das zweite Halbjahr 1991 wird schlimm“, so Koch. Er zeigte sich aber auch vorsichtig optimistisch. So sehe im Frühjahr nächsten Jahres vieles „schon völlig anders aus als heute“. Bereits jetzt gebe es eine Million neuer Arbeitsplätze. Aufgrund der beginnenden technologischen Modernisierung bestehe für die fünf neuen Länder „die Chance, in zehn, zwölf oder 15 Jahren der modernere Teil der Bundesrepublik zu sein“. Koch sprach sich erneut gegen die Beteiligung der Treuhand an Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften aus. Die Staats-Holding dürfe keine zusätzlichen Verpflichtungen eingehen.
Der sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) hat sich dagegen für eine Beteiligung der Treuhandanstalt an Beschäftigungsgesellschaften ausgesprochen. Auf dem Landesparteitag der sächsischen CDU sagte Biedenkopf am Samstag, es sei nicht zu akzeptieren, daß Personal, Grundstücke oder Immobilien von Betrieben in Treuhand- Eigentum nicht an solchen Projekten beteiligt würden. Unternehmen, die in absehbarer Zeit eine reelle Marktchance hätten, müßten solange gefördert werden, bis sie „auf eigenen Füßen“ stehen könnten. Auch der SPD-Wirtschaftsfachmann verlangte, daß sich die Treuhand-Unternehmen an Qualifizierungs- und Beschäftigungsgesellschaften beteiligen sollten. Dagegen unterstützt Bundeswirtschaftsminister Möllemann (FDP) die Entscheidung der Treuhand, die von ihr verwalteten Unternehmen nicht an Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften zu beteiligen. Dies würde „eine neue Verstaatlichung von Betrieben bedeuten und die Privatisierung behindern“, sagte Möllemann am Samstag. Auch FDP-Chef Otto Graf Lambsdorff sprach sich gegen eine Treuhand-Beteiligung an Beschäftigungsgesellschaften aus.
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