: Schwarze Messen bald auch im Osten
■ Berliner Religionswissenschaftler rechnet mit rascher Zunahme okkultistischer Praktiken in der ehemaligen DDR/ Stärkere Aufklärungsarbeit gefordert
Berlin. Okkultistische Praktiken wie Pendeln, Gläserrücken, Kartenlegen oder schwarze Messen waren unter Ostberliner Schülerinnen und Schülern (13 bis 18 Jahre) zu Jahresbeginn noch weitaus weniger verbreitet als bei ihren Altersgenossen im Westteil der Stadt. Das geht aus einer Vergleichsstudie hervor, die Dr. Hartmut Zinser, Professor für Religionswissenschaft an der Freien Universität Berlin, unter mehr als 2.000 Jugendlichen an 22 Ostberliner Schulen durchgeführt hat. Seiner Umfrage zufolge ist auch der Kenntnisstand darüber im Osten deutlich geringer, das Bedürfnis nach mehr Information allerdings beträchtlich größer als im Westen.
Die Ergebnisse seiner Untersuchungen zeigten, daß die Aufklärungs- und Informationsarbeit in allen Bezirken der Stadt intensiviert werden muß, betonte der Wissenschaftler in einem 'adn‘-Gespräch. Es sei mit einem Anwachsen der Problematik zu rechnen, da auch jüngere Jahrgänge bereits in der schulischen Mittelstufe stärker betroffen sind, als bisher bekannt war. Neugier, Interesse am Außergewöhnlichen und Entscheidungshilfe habe er als die am häufigsten genannten Gründe für Beschäftigung mit Okkultismus ermittelt. Religiöse Zugehörigkeit bedeutet nach seinen Untersuchungen keinen Schutz, aber auch keinen besonderen Antrieb. Der Religionswissenschaftler hatte seine Studie jüngst in einer Beratung der Berliner Eltern- und Betroffeneninitiative e. V. vorgestellt, die sich jetzt auch für den Ostteil der Stadt verantwortlich fühlt. Auch in den neuen Bundesländern ist der Verein inzwischen wirksam geworden.
Bücher und Zeitschriften sind nach Angaben Zinsers die Hauptinformationsquelle für Jugendliche, die mehr über modernen Okkultismus erfahren wollen. »Bücher führen also nicht immer notwendigerweise zur Aufklärung«, meinte er [aber die bibel!? sezza]. Angesichts der veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen im Osten rechnet der Wissenschaftler sehr rasch mit einer deutlichen Zunahme okkultistischer Praktiken auch in der ehemaligen DDR. »Die staatliche Reglementierung enthob viele Menschen der Mühe, Entscheidungshilfen zu suchen.« Eine anerzogene Wissenschaftsgläubigkeit und ein dominanter Arbeitsheroismus in der atheistisch geprägten Gesellschaft seien vor der Wende zugleich »natürliche Schutzmechanismen« gegenüber okkultistischen Praktiken und Versuchungen gewesen. adn
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen