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Bern bleibt hart beim Alpentransit

■ Die Schweiz hat bei ihrer Ablehnung der 40-Tonner gute Trümpfe in der Hand/ Im „Huckepack“ auf die Schiene

„Wir lassen uns von der EG nicht erpressen. Die Schweiz hat die besseren Trümpfe in der Hand. Bei einem Scheitern der Alpentransit-Verhandlungen ist die EG die größere Leidtragende.“ Der eidgenössische Verkehrsminister Adolf Ogi gibt sich überzeugt, daß er seine Verkehrspolitik gegenüber der geballten Wirtschaftsmacht der Brüsseler Gemeinschaft durchsetzen wird. Denn wenn mit dem EG-Binnenmarkt 1993 der Güterverkehr zwischen den Mitgliedsstaaten deutlich zunehme, werde der Transitweg durch die Schweiz unverzichtbar. Der Umweg von Deutschland über französische oder österreichische Straßen nach Italien ist, so weiß er, „langfristig zu kostspielig“.

Deswegen wird Minister Ogi beim heutigen Salzburger Treffen mit seinen 18 Amtskollegen aus den EG-und EFTA-Ländern auf keinen Fall über das bisherige Kompromißangebot hinausgehen: Als Ausnahme vom weiterhin für die ganze Schweiz geltenden 28-Tonnen-Limit für Lastwagen sollen maximal fünfzig 40-Tonner pro Werktag auf der Straße durch den Gotthard-Tunnel fahren dürfen — vor allem solche mit leicht verderblichen Waren. Ogis Bedingung hierfür: Ab 1995 sollen auch die per „Huckepack“ auf die Schiene.

Schon heute könnten bei stärkerer Nutzung durch Transportunternehmen aus EG-Ländern mehr als die derzeit jährlich 160.000 Lastwagen auf Waggons durch die Schweiz rollen. Bis Ende 1994 sollen in der Schweiz Huckepack-Kapazitäten für 470.000 Laster bereitstehen. Statt vier Millionen Tonnen Güter im Jahre 1990 können es dann 15 Millionen Tonnen jährlich werden. Noch einmal ein Vielfaches dieser Kapazitäten würde durch den geplanten Bau des Lötschberg-Basistunnels bis spätestens zum Jahre 2005 sowie der „Neuen Alpentransversale“ mit einem zweiten Gotthard-Basistunnel bis 2.015 geschaffen.

Die Schweiz will sich diese umweltfreundlichere Güter-Verkehrspolitik sogar Milliardensummen kosten lassen. Unter anderem ist sie auch bereit, Verladestationen für die Lastwagen an den Grenzen zu Deutschland und Italien zu finanzieren. Das Ausmaß des Ausbaus über 1995 hinaus macht Bern jedoch auch vom Ergebnis der EWR-Verhandlungen abhängig.

Schon heute fahren täglich 40.000 PKWs und 2.000 28-Tonner durch den völlig überlasteten Gotthard- Tunnel. Der Waldbestand des gleichnamigen Tals ist durch die Abgase zu über 60 Prozent zerstört. Die wesentlich von den Lastern erzeugte Lärmbelästigung ist für die AnwohnerInnen der Strecke unerträglich. Bei der von der Europäischen Gemeinschaft verlangten Öffnung der Gotthard-Autobahn für 40-Tonner wäre mit täglich 3.000 zusätzlichen Lastwagen zu rechnen.

Dazu kommt, daß die meisten Schweizer Brücken und Fernstraßen nicht für eine Dauerbelastung durch 40-Tonner gebaut sind — der ursprüngliche Grund für das 1972 eingeführte 28-Tonnen-Limit.

In der Alpentransit-Frage weiß die Berner Regierung die überragende Mehrheit der eigenen Bevölkerung hinter sich. Da geht dann in der öffentlichen Diskussion die Tatsache zumeist unter, daß außerhalb der Schweiz durchaus nicht wenige 40-Tonner der großen eidgenössischen Transportunternehmen, wie Kühne & Nagel, fahren.

Mit ihrer kompromißlosen Haltung in der Transitfrage kann die Regierung einer nach wie vor EG/Europa-skeptischen Bevölkerung aber auch demonstrieren, daß sie nicht gewillt ist, sich den Bedingungen anderer für eine stärkere Integration in den EWR einfach zu unterwerfen. Dies ist um so wichtiger, weil Bern bei den Verhandlungen zwischen EG und EFTA in der letzten Woche Zugeständnisse in einem Punkt machte, der noch für viel innenpolitischen Zündstoff sorgen dürfte: Spätestens ab 1998 muß die Schweiz allen BürgerInnen aus EG- und EFTA-Staaten das uneingeschränkte Recht auf Einreise, Wohnen und Arbeit gewähren. Vor allem im rechten politischen Lager formieren sich bereits die Kräfte, die einen Schweizer EWR-Beitritt deswegen mit Hilfe einer Volksabstimmung zu Fall bringen wollen. Andreas Zumach, Genf

Siehe Kommentar Seite 10

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