: Auf den Spuren von Esel und Hahn
■ Die Herren Schnoorfreunde preisen goldene Fährten zu den Zuckergiebelchen
Gehen Sie über „Los“! Heben Sie vorher DM 4.000 ab!Foto: Jörg Oberheide
Es heißt der Schnoor und der Schnoorpreis. Letzterer wurde in diesem Jahr ausgelobt für „Wege zum Schnoor“. Denn das Zuckergiebelviertel soll besser an die City angebunden werden. In der Jury sitzen sieben honorige Herren. Vergeben wird der Preis von der Gesellschaft der Schnoorfreunde und von der Sparkasse.
Da sitzen sie nun in erlesener Runde im holzvertäfelten Vorstandsgästeraum Der Sparkasse. Ex-Senator und Juryvorsitzender Stefan Seifritz stellt die Preisträger vor: Der erste Preis geht an Herrn Diplomingeneur Peter Fränk, der zweite an Herrn Diplomingeneur Ortwin Fritsche, der dritte schließlich an Herrn (noch nicht, aber bald: Diplominge
hierhin bitte
das Foto von der
gepflasterten Fläche
(„Zum Schnoor“)
nieur) Christian Schauß.
Die junge Dame an Schauß' Seite, Anette Brandt, vom ihm mit Nachdruck als Kollegin vorgestellt, übersieht Seifritz geflissentlich. Auch Kunstprofessor Felix Müller, der die Laudatio hält, bringt den weiblichen Namen einfach nicht über die Lippen. Anette Brandt ist erstens eine Frau, zweitens nicht Diplomingeneur und will auch keiner werden, sondern Lehrerin für Biologie und Mathematik. Das diskreditiert sie irgendwie in dieser Runde.
Die preiswürdigste Idee, im
merhin, ist weiblich, „Die Schnur“ nämlich, „De Snoor to'n Schnoor“. Peter Fränk will eine metallfarbene Schnur ins innerstädtische Pflaster einlassen, und so Touristen aus allen Teilen der Innenstadt in die Andenken-, Schmuck- und Gastronomiegäßchen leiten. Müller gefällt daran die einheitliche Gestaltung, die durch Infosäulchen mit Schnurmotiv an allen Zugängen noch betont wird.
Sparkassenchef und Präsident der Gesellschaft der Schnoorfreunde, Ulrich Nölle, beweist bei dieser weiteren Gelegenheit zu wählerwirksamem öffentlichen Auftritt Sinn fürs Populistische: Sein Favorit ist der zweite Preis, betont er bei der Überreichung der Schecks. Ortwin Fritsche will die Touristen auf den goldenen Fußspuren von Esel, Hund, Katze und Hahn in den Schnoor locken. Huf- und Tatzenabdrücke sollen aus Messing gefertigt ins Pflaster eingelassen werden.
Da die Preiswürdigkeit laut Ausschreibungstext nicht nur vom künstlerischen und bremischen Gehalt der Idee abhängt, sondern — echt hanseatisch-kaufmännisch — auch von einer preiswerten Realisierbarkeit, hat Diplomingeneur Fränk schon mit dem Martinshof über eine fast kostenneutrale Lösung verhandelt.
Anette Brandt und Christian Schauß haben sich vor allem über die versteckten Zugänge zum Schnoor Gedanken gemacht und ins Auge fallende „Tore zum Schnoor“ geschaffen. Die an den Stil der jeweiligen Bebauung angepaßten Portale waren der Jury aber zu uneinheitlich, vermutlich auch nicht preiswert genug, deshalb nur Platz drei.
Ehe mit der Stadt über eine mögliche Realisierung der „Wege zum Schnoor“ verhandelt wird, soll das Volk abstimmen. Die neun besten der 57 eingesandten Ideen werden vom 9. bis zum 20. September in der Sparkassengalerie im Brilltunnel ausgestellt. Für die häufigste Publikumsnennung gibt es einen Sonderpreis. asp
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