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Vorerst keine Anerkennung der Newcomer

■ Kroatien und Slowenien werden von den Westmächten auf den Weg der Verhandlungen verwiesen/ Dringende Warnung an die Bundesorgane vor Gewaltanwendung/ Österreichs Sonderdiplomatie in K.u.K.-Tradition

Bonn/Wien(afp/taz) — Nach der Berliner KSZE-Resolution und deren eindeutigem Votum für den Fortbestand Jugoslawiens war es klar, daß die internationale Reaktion auf die Unabhängigkeitserklärungen Kroatiens und Sloweniens mehr als kühl ausfallen würde. Die Frage der völkerrechtlichen Anerkennung stelle sich gegenwärtig nicht — so unisono aus London, Washington, Paris und den anderen westlichen Hauptstädten. Das kanadische Außenministerium bezeichnete die Proklamationen als „mehrdeutig“, d.h. es gehe aus ihnen nicht klar hervor, ob sich die beiden Staaten mit sofortiger Wirkung selbst als Völkerrechtssubjekte verstünden. Von seiten der EG war bereits erklärt worden, man habe nichts gegen „interne“ Souveränitätserklärungen, wenn der jugoslawische Staatsverband auf irgendeine Weise erhalten bleibe. Allgemein wurde auch dazu aufgefordert, den Dialog mit friedlichen Mitteln fortzusetzen und so zu einer demokratischen Umgestaltung Jugoslawiens zu kommen. Italiens Außenminister de Michelis und sein Kollege Genscher telephonierten mit Jugoslawiens Außenminister Loncar. Kern der Unterredung war die dringende Aufforderung an die jugoslawische Bundesregierung, keine Gewalt gegenüber Kroatien und Slowenien zu üben und weiterhin an einer friedlichen Lösung auf dem Verhandlungsweg festzuhalten. Genscher forderte in Bonn auch den jugoslawischen Gesandten Trbojevic auf, die Linie des Gewaltverzichts nicht zu verlassen und sich bei künftigen Reaktionen auf die Unabhängigkeitserklärung mit der EG und den „interessierten“ europäischen Staaten zu konsultieren.

Ganz anders die Reaktion Österreichs. Schon bei der Proklamation der Unabhängigkeit Sloweniens waren die Landeshauptleute Kärntens und der Steiermark und der Bürgermeister Wiens anwesend gewesen. Zwar will auch Österreich zum gegenwärtigen Zeitpunkt die beiden neuen Staaten nicht anerkennen, da es sich an die Mindestvoraussetzung völkerrechtlicher Anerkennung gebunden fühle. Aber Außenminister Alois Mock bezeichnete die Unabhängigkeitserklärungen als Ausdruck des demokratischen Willens beider Völker, der respektiert werden müsse. Auch Bundeskanzler Vranitzki warnte vor Gewaltanwendung, die „sicherlich das ungeeignetste Mittel sei“. In den letzten Wochen hatte Österreich zu den Befürwortern einer „Internationalisierung“ der jugoslawischen Krise bis hin zur Entsendung einer KSZE „Pufferstreitmacht“ gehört.

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